Ballade Nr. 1

Die Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23 ist ein Werk für Klavier solo von Frédéric Chopin.

Manuskript des Beginns der Ballade Nr. 1
Ballade Nr. 1
Balladen Nr. 1–4, Opus 23, 38, 47, 52
Eunmi Ko

Entstehung und Überlieferung

Sie wurde 1831 in Wien skizziert und 1835 in Paris fertiggestellt. 1836 erschien sie gleichzeitig in Leipzig, Paris und London und ist „Monsieur le Baron de Stockhausen“ gewidmet. Gemeint ist Bodo Albrecht von Stockhausen (1810–1885), der ab 1835 in der hannoverschen Gesandtschaft in Paris tätig war und dort 1841 bis 1851 selbst den Posten des hannoverschen Gesandten innehatte. Er war der Vater der Sängerin und Mäzenin Elisabeth von Herzogenberg. Bodo Albrecht von Stockhausen besaß auch ein „Widmungsexemplar“ der Ballade, das später im Besitz seines Sohns Ernst von Stockhausen (1838–1905) war, der in Wien als Komponist, Musikkritiker und Musiklehrer tätig war. Das geht aus dem Brief seiner Schwester an Johannes Brahms vom 3. Dezember 1877 hervor.

Die in der Chopin-Literatur verschiedentlich zu findende Angabe, das Werk sei einem – nicht näher bekannten – „Nathaniel von Stockhausen“ gewidmet, ist offensichtlich falsch.

Analyse

Trotz der unterschiedlichen epischen, lyrischen und dramatischen Inhalte ergibt sich eine stringent einheitliche Wirkung, da „hier die Elemente noch nicht getrennt, sondern, wie in einem lebendigen Ur-Ey zusammen sind.“ Gewährleistet wird das durch die alle Themen charakterisierenden Vorhalte mit nachfolgenden Sekundschritten. Diese originär musikalische Gestaltungsweise bedarf daher keiner außermusikalische Inhalte vermutenden Interpretation. Der Hinweis des allem Poetisieren abholden Chopin, über den Robert Schumann berichtete, er sei durch Gedichte von Adam Mickiewicz zur Komposition angeregt worden, bezieht sich nicht auf einzelne Inhalte benennbarer Gedichte, sondern eher allgemein auf deren epische, lyrische und dramatische Qualitäten.

Rezeption

Obwohl von Chopin wohl keine Programmatik beabsichtigt war, wurde und wird die Ballade gern als Nationalmusik interpretiert. Hintergrund ist das Entstehungsjahr 1831, das von der Verschärfung der russischen und preußischen Besatzung Polens nach dem gescheiterten Novemberaufstand geprägt war. Ein Beispiel für die Rezeption als Nationalmusik ist Roman Polańskis Film Der Pianist, in dem Władysław Szpilman nach seiner Begegnung mit einem deutschen Offizier diesem die Ballade vorträgt und sich trotz widriger Umstände in pianistische Höchstleistungen steigert.

Der Dichter Detlev von Liliencron, der selbst ein passabler Pianist war, übertrug 1890 die gegensätzlichen Stimmungsgehalte des Werkes in seinem Gedicht Ballade in g-Moll ins Rauschhafte und Sentimentale.

Der britische Journalist Alan Rusbridger, 1995 bis 2015 Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung The Guardian, widmete dem Werk ein ungewöhnliches Buch, in dem er beschreibt, dass er sich das Ziel gesetzt hatte, es innerhalb eines Jahres konzertreif einzustudieren, was ihm auch gelang. Dabei standen ihm namhafte Pianisten zur Seite, darunter Alfred Brendel, Daniel Barenboim und Murray Perahia, außerdem Condoleezza Rice. Das Buch erschien 2012 in England und 2015 in deutscher Übersetzung.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Maurice J. E. Brown, Chopin: An Index of His Works in Chronological Order, 2., revidierte Aufl., London: Macmillan Press, 1972, S. 73: „Dedicated to M. le Baron de Stockhausen, Hanoverian Ambassador to France (father of Elisabet Herzogenberg, the friend of Brahms).“
  2. Johannes Brahms im Briefwechsel mit Elisabet von Herzogenberg, hrsg. von Max Kalbeck, Band 1, Berlin 1908, S. 35 (Digitalisat)
  3. Altuğ Ünlü: Frédéric Chopins Ballade g-Moll op. 23 und ihr Stellenwert im zyklischen Zusammenhang – eine Strukturanalyse. In: Gottfried Krieger und Matthias Spindler (Hrsg.): Musik als Lebensprogramm. Festschrift für Constantin Floros zum 70. Geburtstag. 1. Auflage. Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-35406-1
  4. Johann Wolfgang Goethe über die literarische Ballade in: Über Kunst und Altertum. Bd. 3, H. 1, Stuttgart 1821, S. 50
  5. Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker. Hrsg. von M. Kreisig, 5. Auflage, Leipzig 1914, Bd. 3, S. 32
  6. Detlev von Liliencron: Ballade in g-Moll im Projekt Gutenberg-DE
Balladen von Frédéric Chopin

Nr. 1 g-Moll op. 23 | Nr. 2 F-Dur op. 38 | Nr. 3 As-Dur op. 47 | Nr. 4 f-moll op. 52