Bewusstseinsstörung ist eine Störung einer der Vitalfunktionen und von Elementarfunktionen der menschlichen Psyche. Sie gehört zu den psychopathologischen Symptomen und kann bei verschiedenen neurologischen und psychischen Erkrankungen auftreten.
Unter Bewusstseinsstörung wird in der deutschsprachigen Psychopathologie jede Beeinträchtigung oder (subjektiv ggf. sogar positiv empfundene) Veränderung des gewöhnlichen (normalen, durchschnittlichen oder gewohnheitsmäßig eingenommenen) Tages-, Normal- oder Alltagsbewusstseins verstanden. Die Fähigkeit Betroffener zur Selbstkontrolle ist dabei derart verändert, dass die Möglichkeit der üblichen Interaktion mit ihnen erschwert oder unmöglich ist.
Formal können die Bewusstseinsstörungen in quantitative und qualitative Bewusstseinsstörungen eingeteilt werden.
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
R40.0 | Benommenheit / Somnolenz |
R40.1 | Sopor / Präkoma |
R40.2 | Koma / Bewusstlosigkeit |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Quantitative Bewusstseinsstörungen sind Bewusstseinsverminderungen, da sie sich auf den Wachheitsgrad auswirken (die Vigilanz). Die Wachheitsstufen reichen von Benommenheit über Somnolenz und Sopor bis hin zur Bewusstlosigkeit bzw. den verschiedenen Graden von Koma.
Es gab und gibt verschiedene Einteilungsmöglichkeiten von Bewusstseinsstörungen wie dem Koma. In der Notfallmedizin ist die heute Einteilung anhand der Glasgow Coma Scale (GCS) üblich. Eine Bewusstseinsminderung kann daran erkannt werden, dass der Patient nur verlangsamt, nicht situationsgerecht oder gar nicht auf (lautes) Ansprechen und Anfassen reagiert. Bei fortgeschrittener Bewusstseinsstörung zeigt er auch nur ungezielte Abwehr oder keine Reaktion auf Schmerzreize.
Siehe auch: OhnmachtQualitative Bewusstseinsstörungen wirken sich auf die Bewusstseinsklarheit aus, d. h., die Bewusstseinsinhalte sind verändert und die Bewusstseinsklarheit ist vermindert.
Als qualitative Bewusstseinsstörungen gelten neben der Bewusstseinstrübung alle Formen der Bewusstseinseinengung und Bewusstseinsverschiebung und -erweiterung.
Ursachen quantitativer Bewusstseinsstörungen (Bewusstseinsminderungen)
Eine Bewusstseinsminderung ist immer ein Symptom einer körperlichen Gesundheitsstörung. Dabei kommen in Betracht:
Bewusstseinsstörungen aller Art führen im Zivilrecht zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften (§ 105 BGB), Affekthandlungen unter Umständen zu Deliktsunfähigkeit (§ 827 BGB). Für die Deliktsfähigkeit besteht aber eine Ausnahme bei dem Konsum von Alkohol („geistiges Getränk“) und berauschenden Mitteln: Hat sich der Schädiger freiwillig und in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von der Rauschwirkung in einen Zustand versetzt, der die freie Willensbildung ausschließt, so handelt er trotzdem schuldhaft, § 827 Satz 2 BGB.
Unwillkürliches Verhalten im Zustand der Bewusstlosigkeit fällt im Strafrecht nicht unter den Begriff der Handlung.
Ist der Tatverdächtige psychisch krank, geistig behindert oder aber durch berauschende Mittel und Medikamente in einen die bewusste Wahrnehmung und freie Willensbetätigung ausschließenden Zustand geraten, so ist er bei Begehung einer Affekthandlung je nach Intensität/Ausprägung der Beeinträchtigung schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB).
In Frage kommt aber dennoch eine Strafbarkeit wegen Vollrauschs (§ 323a StGB), sofern die tatsächliche oder wegen des Grundsatzes „in dubio pro reo“ nicht auszuschließende Schuldunfähigkeit auf Alkohol oder anderen Rauschmitteln beruht. Diese Vorschrift, die der NS-Gesetzgeber 1933 in das deutsche StGB eingefügt hat (siehe Artikel zum Vollrausch), steht im Konflikt mit dem Schuldprinzip, da sie strafrechtlich an das „Sich-Berauschen/Betrinken“ anknüpft und die schuldunfähig begangene Tat (z. B. Mord) nur als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit berücksichtigt. Rechnung getragen wird diesen verfassungsrechtlichen Bedenken (das Schuldprinzip folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) mit dem Umstand, dass die Strafe aus § 323a StGB (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 5 Jahre) im Urteilsspruch nicht höher ausfallen darf, als es die Strafandrohung der „Rauschtat“ zulässt, § 323a Abs. 2 StGB. Eine weitere Möglichkeit, auch im Zustand der Schuldunfähigkeit die Vorwerfbarkeit herzustellen und damit eine Strafe zu ermöglichen, ist die umstrittene Rechtsfigur der „actio libera in causa“ (deutsch: eine in der Ursache freie Handlung). Dabei wird das vorwerfbare Element nicht in der Tatbegehung selbst gesehen, sondern in dem zeitlich vor dem Rausch gefassten Tatentschluss, die Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit zu begehen. Auch die actio libera in causa begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. So sieht man in ihr einen Verstoß gegen das strafrechtliche Koinzidenzprinzip (verankert im Art. 103 Abs. 2 GG), nach dem Tatbegehung und Schuld zeitlich parallel vorhanden sein müssen. Während man sich in der Literatur zahlreicher Begründungsmöglichkeiten bedient (actio libera in causa als Ausnahme vom Koinzidenzprinzip, Vorverlagerung der Strafbarkeit, Rauschtäter ist das schuldlose Werkzeug für denselben Täter im Normalzustand), die mehr oder weniger begründbar sind (siehe dazu den Hauptartikel zur actio libera in causa), lehnt die Rechtsprechung diese Rechtsfigur für eigenhändige Delikte wie § 316 und § 153 StGB gänzlich ab und enthält sich in den übrigen Fällen der Stellungnahme. Die Figur der fahrlässigen actio libera in causa indes ist überflüssig, da man z. B. bei einer versehentlichen Tötung eines Kindes durch einen volltrunkenen und damit nicht schuldfähigen Täter bei entsprechender Vorhersehbarkeit bereits in dem Antritt der Fahrt bzw. dem Betrinken unter der Gefahr einer Fahrt eine die Fahrlässigkeit begründende Sorgfaltspflichtwidrigkeit erblicken kann.
Nicht betroffen von dem Konflikt mit dem Schuldprinzip, weil von persönlicher Vorwerfbarkeit (= Schuld) unabhängig verhängbar, sind die Maßregeln der Besserung und Sicherung. Konkret kommen insbesondere die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) in Betracht.