Epistulae morales

Epistolae ad Lucilium, Übersetzung ins Italienische, 1494

Die Epistulae morales ad Lucilium (lateinisch: ‚Briefe über Ethik an Lucilius‘) sind eine Sammlung von 124 Briefen, die der römische Dichter und Philosoph Seneca (ca. 1–65 n. Chr.) verfasste.

Seneca schrieb die Texte nach seinem Rückzug aus der Politik (etwa 62 n. Chr.). Der Inhalt ist von einer gewissen Distanz zur Hektik der politischen Geschäftigkeit und von dem, was Politikern wichtig sein musste, durchzogen. Andererseits kommt die Lebensgefahr, in der Seneca schwebte, und deren er sich auch wohl bewusst war, zum Ausdruck.

In den Briefen erteilt Seneca einem gewissen Lucilius Ratschläge, sein Leben im Sinne der stoischen Philosophie sinnvoll zu gestalten. Dabei nutzte Seneca die Briefe als Mittel, um verschiedene Aspekte seiner eigenen Philosophie darzustellen. Zugleich eröffnen die Texte Einblicke in das Alltagsleben des antiken Rom.

Vom Empfänger der Epistulae morales war lange Zeit vermutet worden, er sei eine lediglich fiktive Gestalt. Aus den Briefen selbst ergibt sich, dass der offenbar einige Jahre jüngere Lucilius in den Ritterstand aufgestiegen war, dass er bereits über politische Erfahrungen als Prokurator verfügte, als er 63/64 n. Chr. Prokurator auf Sizilien wurde. Lucilius war auch literarisch tätig. Die Autorschaft des unter anderem ihm zugeschriebenen Aetna ist jedoch umstritten. Seneca widmete ihm außer den Briefen die Schrift De Providentia und die Naturales quaestiones.

Themen der Epistulae morales

Das Leitthema Senecas ist die Selbsterziehung zum glücklichen Menschen.

„Wenn du einen Menschen siehst, nicht zu schrecken von Gefahren, unberührt von Begierden, im Unglück glücklich, mitten in stürmischen Zeiten gelassen, von höherer Warte die Menschen sehend, von gleicher Ebene die Götter, wird dich nicht Ehrfurcht vor ihm überkommen? (Ep. 41.3)
Si hominem videris interritum periculis, intactum cupiditatibus, inter adversa felicem, in mediis tempestatibus placidum, ex superiore loco homines videntem, ex aequo deos, non subibit te veneratio eius?“

Die Briefe Senecas behandeln unter anderem folgende Themen:

Datierung

Innerhalb der Briefe gibt es nur eine kleine Anzahl von Hinweisen, die chronologisch verwertbar sind. Mit ihnen hat sich insbesondere K.F.C. Rose näher beschäftigt. Die Häufung des Themas Rückzug aus der Politik (zum Beispiel ep. 8.2) lässt sich unschwer auf Senecas Stellung im Jahr 62/63 deuten. Halbwegs exakt lassen sich die folgenden Erwähnungen datieren:

Damit lässt sich die Entstehung der Briefe recht genau auf die Zeit von Herbst 62 bis Herbst 64 eingrenzen, was einer Schreibleistung von etwas mehr als einem Brief pro Woche entspricht.

Bucheinteilung

Es wird angenommen, dass die Einteilung der Briefe in 20 Bücher schon antik ist, ja wahrscheinlich auf den Verfasser selbst zurückgeht. An einigen Stellen ist die Abgrenzung der einzelnen Bücher nicht überliefert und die Rekonstruktion der Einteilung nicht hinreichend sicher.

Rezeptions- und Wirkungsgeschichte

Die Epistulae morales gehören zu den wenigen Texten der lateinischen Literatur, die nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches bekannt blieben und rezipiert wurden und nicht erst, wie viele andere antike Schriften, in der Renaissance wiederentdeckt wurden. Zu ihrem Erfolg beigetragen haben dürfte der verständliche Stil und die lebenspraktische Thematik der Briefe.

Literatur

Weblinks

Wikisource: Epistulae morales ad Lucilium – Quellen und Volltexte (Latein)

Einzelnachweise

  1. Vgl. Seneca ep. 44.2.6
  2. Vgl. Seneca ep. 31.9
  3. Vgl. Seneca ep. 19.3, 79.5
  4. K.F.C. Rose The Date and Author of the Satyricon, Leiden (1971) S. 70–72.