Leben Adams und Evas

Vertreibung aus dem Paradies (Benvenuto di Giovanni, ca. 1470, Museum of Fine Arts, Boston). In der Mitte der Erzengel Michael. Vertreibung aus dem Paradies (Seite 46 des Cædmon-Manuskripts; Bodleian Library, Oxford)

Mit Leben Adams und Evas (Vita Adae et Evae) bzw. Apokalypse des Mose (Apocalypsis Mosis) wird eine Gruppe inhaltlich eng verbundener Schriften bezeichnet, deren Gegenstand das Leben Adams und Evas nach deren Vertreibung aus dem Paradies ist. Die Schriften sind sämtlich nicht Teil des biblischen Kanons, haben aber, vor allem durch die Beschreibung des Falles von Satan, großen Einfluss ausgeübt – bis in den Koran.

Übersicht

Adam gräbt mit dem Hackstock, während Eva Kain und Abel die Brust gibt. Aus der Schedelschen Weltchronik, Nürnberg 1493.

Die Schriften sind traditionell unter den folgenden Titeln überliefert:

Die inhaltlichen Verbindungen sind eng, Umfang und Formulierungen weisen aber erhebliche Abweichungen und Unterschiede auf. Man geht davon aus, dass diese Schriften sämtlich auf eine nicht erhaltene gemeinsame Quelle zurückgehen, die in einer semitischen Sprache (hebräisch oder aramäisch) abgefasst war. Als Ursprung wird ein jüdisches Umfeld angenommen. Die erhaltenen Versionen stammen aus dem 3. bis 5. Jahrhundert, für die gemeinsame Quelle wird eine Abfassung im 1. Jahrhundert vermutet.

Griechische Fassung (Apokalypse des Mose)

Überlieferung

Den Titel Apokalypse des Mose bzw. Offenbarung des Mose erhielt die griechische Fassung von Konstantin von Tischendorf, dem ersten Herausgeber des Textes. Der Name des Mose erscheint nur kurz im Einleitungskapitel, wo gesagt wird, dass die Geschichte des Lebens von Adam und Eva dem Mose am Sinai durch den Erzengel Michael offenbart wurde, als er das Gesetz empfing. Es wird angenommen, dass die griechische Fassung älter als die lateinische ist. Der Text wird in 43 Kapitel unterteilt.

Tischendorf verwendete vier Manuskripte, nämlich A (Marc. graec II 42, Biblioteca Marciana, Venedig, 13. Jahrhundert, Kap. 1–36), B und C (Vindobonensis Theol. Graec. 247, Wien), sowie D (codex graecus C 237 Inf, Biblioteca Ambrosiana, Mailand; wahrscheinlich bester Text). Seitdem gab es weitere Textfunde, insbesondere E1 (Bibl. Nat. Fonds grec 1313, Paris) und E2, die Entsprechung zu der armenischen Fassung aufweisen.

Inhalt

Kain und Abel (Kap. 1–4) Krankheit Adams (Kap. 5–14) Bericht Evas vom Sündenfall (Kap. 15–30) Hendrick Goltzius, Der Sündenfall (1616) (National Gallery of Art, Washington, D.C.) Tod und Begräbnis Adams (Kap. 31–41) Tod und Begräbnis Evas (Kap. 42–43)

Ausgaben

Lateinische Fassung (Leben Adams und Evas)

Überlieferung

Wilhelm Meyer, der erste Herausgeber, hat die ihm vorliegenden Manuskripte in folgende vier Klassen eingeteilt:

Die von Meyer verwendeten Manuskripte stammten bis auf den Pariser Codex sämtlich aus München. Eine spätere Ausgabe von Mozley stützte sich auf Manuskripte englischer Bibliotheken, die vorwiegend Meyers Klasse 2 zuzuordnen sind, darunter vor allem auf Codex Arundel 326.10 aus dem 14. Jahrhundert.

Inhalt

Satan beobachtet neidvoll Adam und Eva im Paradies (Aquarell von William Blake, 1808; Museum of Fine Arts, Boston) Buße Adams und Evas (Kap. 1–16) Geburt von Kain und Abel (Kap. 17–29) Krankheit Adams (Kap. 30–44)

Dieser Abschnitt entspricht inhaltlich sehr weitgehend dem Abschnitt der Kapitel 5 bis 14 der griechischen Fassung (siehe oben). Folgende Abweichungen fallen auf:

Tod Adams und Evas (Kap. 45–51)

Ausgaben

Armenische Fassung (Buße Adams)

Überlieferung und Inhalt

Die als armenische Buße Adams bekannte Fassung wurde erstmals von Stone 1981 publiziert. Der Text basiert auf drei Manuskripten des 17. Jahrhunderts. Es wurde vermutlich aus dem Griechischen übersetzt und enthält sowohl Elemente der griechischen Fassung (z. B. den Bericht Evas vom Sündenfall) als auch der lateinischen Fassung (z. B. die Buße in Jordan und Tigris).

Die armenische Buße Adams sollte nicht verwechselt werden mit einem armenischen Adamsbuch, das weitgehend der griechischen Fassung entspricht und als armenisches Vita Adae et Evae zitiert wird. Dieser Text wurde von der Mechitaristischen Gemeinde von San Lazzaro bei Venedig publiziert und basiert auf drei Manuskripten aus der Bibliothek von Etschmiadzin. Eine Übersetzung von F. C. Conybeare erschien 1895. Erwin Preuschen hat in seiner Schrift zu dem armenischen Adamsbuch einen gnostischen Hintergrund der gesamten Adamsliteratur vermutet. Diese These fand keine Zustimmung in der Fachwelt.

Ausgaben

Slawische Fassung

Nordtür einer Ikonostase: Fall und Vertreibung aus dem Paradies (16. Jahrhundert; Kunstmuseum, Nischni Nowgorod)

Überlieferung und Inhalt

Die slawische Fassung wurde 1893 von Jagic auf der Grundlage dreier ihm vorliegender Manuskripte (das älteste spätestens aus dem 14. Jahrhundert) zusammen mit einer deutschen und einer lateinischen Übersetzung herausgegeben. Dieser Text repräsentiert eine kürzere und eine längere Fassung eines Werkes, bei dem es sich aufgrund der weitgehenden inhaltlichen Entsprechung mit der griechischen Fassung vermutlich um eine slawische Übersetzung derselben handelt.

Dennoch gibt es einige Abweichungen:

Einige Missverständnisse lassen die größere Distanz zum jüdischen Umfeld des Ursprungs der Adamliteratur erkennen. So erscheint statt des Gottesnamens „Jah-El“ ein sonst unbekannter Erzengel namens „Joel“. Auch der Schluss, an dem wegen des Sabbats die Trauer beendet wird (Kap. 51 in der lateinischen Fassung), wurde offenbar nicht mehr verstanden.

Ausgaben

Georgische Fassung

Überlieferung

Die georgische Fassung ist überliefert in fünf Manuskripten, von diesen repräsentieren vier (davon drei aus dem 17. und eines aus dem 15. oder 16. Jahrhundert) eine Fassung, ein weiteres aus dem 17. Jahrhundert repräsentiert eine abweichende Fassung. Der georgische Text wurde 1964 von K'urc'ikidze publiziert. Eine französische Übersetzung von Mahé erschien 1981. Mahé folgt der ersten Fassung mit Ergänzungen aus der zweiten Fassung, wo die erste Fassung Lücken aufweist. Inhaltlich entspricht die georgische Fassung weitgehend der armenischen Buße Adams.

Ausgaben

Literatur

Ausgaben (Zusammenstellungen)

Sekundärliteratur

Siehe auch

Weblinks

Wikisource: Die Apokalypse des Moses in der Übersetzung von Paul Rießler – Quellen und Volltexte Wikisource: Das Leben Adams und Evas in der Übersetzung von Paul Rießler – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Ginzberg: Book of Adam. In: Jewish Encyclopedia 1901ff
  2. Lachs Textual Observations 1982. S. 172ff
  3. Unklare Stelle. In der armenischen Fassung ist vom „Geheimnis der Vision“ die Rede, und es heißt: „was ich (Gott) tun werde“.
  4. In der lateinischen Fassung (Kap. 6) ist es das Öl des Lebens vom Baum der Gnade.
  5. Die Schlange ist im Griechischen und Hebräischen männlich, und der Aufenthalt der Schlange scheint im Teil Adams gewesen zu sein, obwohl es dann heißt, dass die Schlange bereits vertrieben wurde.
  6. Auch in Bereschit Rabba 15, der Schatzhöhle und dem Testament Adams ist der betreffende Baum ein Feigenbaum. In der Apokalypse des Abraham ist die Frucht eine Traube.
  7. 1 Mos 3,16-19 
  8. Der jüdischen Überlieferung zufolge (Pirke Eliezer 20) war es nicht der Jordan, sondern der Gihon, ein Paradiesfluss wie der Tigris. Der Jordan ist vermutlich eine christliche Interpolation, um Adam hier als Typos Christi erscheinen zu lassen (Untertauchen im Jordan, 40-tägige Buße).
  9. Wortspiel mit hebräisch קין („Kain“) und קנה (kaneh „Schilfrohr“). Nach der Überlieferung tötete Kain seinen Bruder mit einem Schilfrohr (Bereschit Rabba 22.8).
  10. Im Text: nicht über den sechsten Tag (den Freitag) was gelegentlich mit nicht länger als sechs Tage übersetzt wird.
  11. Jerusalem, Armenisches Patriarchat, Nr. 1458 S. 380–431 und Nr. 1370, S. 127–150; Jerewan, Matenadaran, No. 3461 Bl. 66r-87v
  12. Fred. C. Conybeare: On the Apocalypse of Moses. The Jewish Quarterly Review Bd. 7, Nr. 2 (1895). S. 216–235.
  13. Erwin Preuschen: Die apokryphen gnostischen Adamschriften. Ricker, Gießen 1900. Die Schrift enthält eine Übersetzung des armenischen Adambuches.