Eine lineare Abbildung (auch lineare Transformation oder Vektorraumhomomorphismus genannt) ist in der linearen Algebra ein wichtiger Typ von Abbildung zwischen zwei Vektorräumen über demselben Körper. Bei einer linearen Abbildung ist es unerheblich, ob man zwei Vektoren zuerst addiert und dann deren Summe abbildet oder zuerst die Vektoren abbildet und dann die Summe der Bilder bildet. Gleiches gilt für die Multiplikation mit einem Skalar aus dem Grundkörper.
Das abgebildete Beispiel einer Spiegelung an der Y-Achse verdeutlicht dies. Der Vektor c {\displaystyle c} ist die Summe der Vektoren a {\displaystyle a} und b {\displaystyle b} und sein Bild ist der Vektor c ′ {\displaystyle {c'}} . Man erhält c ′ {\displaystyle {c'}} aber auch, wenn man die Bilder a ′ {\displaystyle {a'}} und b ′ {\displaystyle {b'}} der Vektoren a {\displaystyle a} und b {\displaystyle b} addiert.
Man sagt dann, dass eine lineare Abbildung mit den Verknüpfungen Vektoraddition und skalarer Multiplikation verträglich ist. Es handelt sich somit bei der linearen Abbildung um einen Homomorphismus (strukturerhaltende Abbildung) zwischen Vektorräumen.
In der Funktionalanalysis, bei der Betrachtung unendlichdimensionaler Vektorräume, die eine Topologie tragen, spricht man meist von linearen Operatoren statt von linearen Abbildungen. Formal gesehen sind die Begriffe gleichbedeutend. Bei unendlichdimensionalen Vektorräumen ist jedoch die Frage der Stetigkeit bedeutsam, während Stetigkeit immer vorliegt bei linearen Abbildungen zwischen endlichdimensionalen reellen Vektorräumen (jeweils mit der euklidischen Norm) oder allgemeiner zwischen endlichdimensionalen hausdorffschen topologischen Vektorräumen.
Seien V {\displaystyle V} und W {\displaystyle W} Vektorräume über einem gemeinsamen Grundkörper K {\displaystyle K} . Eine Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} heißt lineare Abbildung, wenn für alle x , y ∈ V {\displaystyle x,y\in V} und a ∈ K {\displaystyle a\in K} die folgenden Bedingungen gelten:
Die zwei obigen Bedingungen kann man auch zusammenfassen:
f ( a x + y ) = a f ( x ) + f ( y ) {\displaystyle f\left(ax+y\right)=af\left(x\right)+f\left(y\right)}Für y = 0 V {\displaystyle y=0_{V}} geht diese in die Bedingung für die Homogenität und für a = 1 K {\displaystyle a=1_{K}} in diejenige für die Additivität über. Eine weitere, gleichwertige Bedingung ist die Forderung, dass der Graph der Abbildung f {\displaystyle f} ein Untervektorraum der Summe der Vektorräume V {\displaystyle V} und W {\displaystyle W} ist.
Eine Abbildung ist linear, wenn sie verträglich mit der Vektorraumstruktur ist. Sprich: Lineare Abbildungen vertragen sich sowohl mit der zugrundeliegenden Addition als auch mit der skalaren Multiplikation des Definitions- und Wertebereichs. Die Verträglichkeit mit der Addition bedeutet, dass die lineare Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} Summen erhält. Wenn wir im Definitionsbereich eine Summe v 3 = v 1 + v 2 {\displaystyle v_{3}=v_{1}+v_{2}} mit v 1 , v 2 , v 3 ∈ V {\displaystyle v_{1},v_{2},v_{3}\in V} haben, so gilt f ( v 3 ) = f ( v 1 ) + f ( v 2 ) {\displaystyle f(v_{3})=f(v_{1})+f(v_{2})} und damit bleibt diese Summe nach der Abbildung im Wertebereich erhalten:
∀ v 1 , v 2 , v 3 ∈ V ( v 3 = v 1 + v 2 ⟹ f ( v 3 ) = f ( v 1 ) + f ( v 2 ) ) {\displaystyle \forall v_{1},v_{2},v_{3}\in V{\Big (}v_{3}=v_{1}+v_{2}\implies f(v_{3})=f(v_{1})+f(v_{2}){\Big )}}Diese Implikation kann verkürzt werden, indem die Prämisse v 3 = v 1 + v 2 {\displaystyle v_{3}=v_{1}+v_{2}} in f ( v 3 ) = f ( v 1 ) + f ( v 2 ) {\displaystyle f(v_{3})=f(v_{1})+f(v_{2})} eingesetzt wird. So erhält man die Forderung f ( v 1 + v 2 ) = f ( v 1 ) + f ( v 2 ) {\displaystyle f(v_{1}+v_{2})=f(v_{1})+f(v_{2})} . Analog kann die Verträglichkeit mit der skalaren Multiplikation beschrieben werden. Diese ist erfüllt, wenn aus dem Zusammenhang v ~ = λ v {\displaystyle {\tilde {v}}=\lambda v} mit dem Skalar λ ∈ K {\displaystyle \lambda \in K} und v ∈ V {\displaystyle v\in V} im Definitionsbereich folgt, dass auch f ( v ~ ) = λ f ( v ) {\displaystyle f({\tilde {v}})=\lambda f(v)} im Wertebereich gilt:
∀ v ~ , v ∈ V ∀ λ ∈ K ( v ~ = λ v ⟹ f ( v ~ ) = λ f ( v ) ) {\displaystyle \forall {\tilde {v}},v\in V\,\forall \lambda \in K{\Big (}{\tilde {v}}=\lambda v\implies f({\tilde {v}})=\lambda f(v){\Big )}}Nach Einsetzen der Prämisse v ~ = λ v {\displaystyle {\tilde {v}}=\lambda v} in die Konklusion f ( v ~ ) = λ f ( v ) {\displaystyle f({\tilde {v}})=\lambda f(v)} erhält man die Forderung f ( λ v ) = λ f ( v ) {\displaystyle f(\lambda v)=\lambda f(v)} .
Zwei bei der Betrachtung linearer Abbildungen wichtige Mengen sind das Bild und der Kern einer linearen Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} .
Eine lineare Abbildung zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen ist durch die Bilder der Vektoren einer Basis eindeutig bestimmt. Bilden die Vektoren b 1 , … , b n {\displaystyle b_{1},\dotsc ,b_{n}} eine Basis des Vektorraums V {\displaystyle V} und sind w 1 , … , w n {\displaystyle w_{1},\dotsc ,w_{n}} Vektoren in W {\displaystyle W} , so gibt es genau eine lineare Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} , die b 1 {\displaystyle b_{1}} auf w 1 {\displaystyle w_{1}} , b 2 {\displaystyle b_{2}} auf w 2 {\displaystyle w_{2}} , …, b n {\displaystyle b_{n}} auf w n {\displaystyle w_{n}} abbildet. Ist v {\displaystyle v} ein beliebiger Vektor aus V {\displaystyle V} , so lässt er sich eindeutig als Linearkombination der Basisvektoren darstellen:
v = ∑ j = 1 n v j b j {\displaystyle v=\textstyle \sum \limits _{j=1}^{n}v_{j}b_{j}}Hierbei sind v 1 , … , v n {\displaystyle v_{1},\ldots ,v_{n}} die Koordinaten des Vektors v {\displaystyle v} bezüglich der Basis { b 1 , … , b n } {\displaystyle \{b_{1},\dotsc ,b_{n}\}} . Sein Bild f ( v ) {\displaystyle f(v)} ist gegeben durch
f ( v ) = ∑ j = 1 n v j f ( b j ) = ∑ j = 1 n v j w j . {\displaystyle f(v)=\textstyle \sum \limits _{j=1}^{n}v_{j}f(b_{j})=\sum \limits _{j=1}^{n}v_{j}w_{j}.}Die Abbildung f {\displaystyle f} ist genau dann injektiv, wenn die Bildvektoren w 1 , … , w n {\displaystyle w_{1},\dotsc ,w_{n}} der Basis linear unabhängig sind. Sie ist genau dann surjektiv, wenn w 1 , … , w n {\displaystyle w_{1},\dotsc ,w_{n}} den Zielraum W {\displaystyle W} aufspannen.
Ordnet man jedem Element b 1 , … , b n {\displaystyle b_{1},\dotsc ,b_{n}} einer Basis von V {\displaystyle V} einen Vektor w 1 , … , w n {\displaystyle w_{1},\dotsc ,w_{n}} aus W {\displaystyle W} beliebig zu, so kann man mit obiger Formel diese Zuordnung eindeutig zu einer linearen Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} fortsetzen.
Stellt man die Bildvektoren w j {\displaystyle w_{j}} bezüglich einer Basis von W {\displaystyle W} dar, so führt dies zur Matrixdarstellung der linearen Abbildung.
Sind V {\displaystyle V} und W {\displaystyle W} endlichdimensional, dim V = n {\displaystyle \dim V=n} , dim W = m {\displaystyle \dim W=m} , und sind Basen B = { b 1 , … , b n } {\displaystyle B=\{b_{1},\dotsc ,b_{n}\}} von V {\displaystyle V} und B ′ = { b 1 ′ , … , b m ′ } {\displaystyle B'=\{b_{1}',\dotsc ,b_{m}'\}} von W {\displaystyle W} gegeben, so kann jede lineare Abbildung f : V → W {\displaystyle f\colon V\to W} durch eine m × n {\displaystyle m\times n} -Matrix M B ′ B ( f ) {\displaystyle M_{B'}^{B}(f)} dargestellt werden. Diese erhält man wie folgt: Für jeden Basisvektor b j {\displaystyle b_{j}} aus B {\displaystyle B} lässt sich der Bildvektor f ( b j ) {\displaystyle f(b_{j})} als Linearkombination der Basisvektoren b 1 ′ , … , b m ′ {\displaystyle b_{1}',\dotsc ,b_{m}'} darstellen:
f ( b j ) = ∑ i = 1 m a i j b i ′ {\displaystyle f(b_{j})=\sum _{i=1}^{m}a_{ij}b_{i}'}Die a i j {\displaystyle a_{ij}} , i = 1 , … , m {\displaystyle i=1,\dotsc ,m} , j = 1 , … , n {\displaystyle j=1,\dotsc ,n} bilden die Einträge der Matrix M B ′ B ( f ) {\displaystyle M_{B'}^{B}(f)} :
M B ′ B ( f ) = ( a 11 … a 1 j … a 1 n ⋮ ⋮ ⋮ a m 1 … a m j … a m n ) {\displaystyle M_{B'}^{B}(f)={\begin{pmatrix}a_{11}&\dots &a_{1j}&\dots &a_{1n}\\\vdots &&\vdots &&\vdots \\a_{m1}&\dots &a_{mj}&\dots &a_{mn}\end{pmatrix}}}In der j {\displaystyle j} -ten Spalte stehen also die Koordinaten von f ( b j ) {\displaystyle f(b_{j})} bezüglich der Basis B ′ {\displaystyle B'} .
Mit Hilfe dieser Matrix kann man den Bildvektor f ( v ) {\displaystyle f(v)} jedes Vektors v = v 1 b 1 + ⋯ + v n b n ∈ V {\displaystyle v=v_{1}b_{1}+\dotsb +v_{n}b_{n}\in V} berechnen:
f ( v ) = ∑ j = 1 n v j f ( b j ) = ∑ j = 1 n v j ( ∑ i = 1 m a i j b i ′ ) = ∑ i = 1 m ( ∑ j = 1 n a i j v j ) b i ′ {\displaystyle f(v)=\sum _{j=1}^{n}v_{j}f(b_{j})=\sum _{j=1}^{n}v_{j}\left(\sum _{i=1}^{m}a_{ij}b_{i}'\right)=\sum _{i=1}^{m}\left(\sum _{j=1}^{n}a_{ij}v_{j}\right)b_{i}'}Für die Koordinaten w 1 , … , w m {\displaystyle w_{1},\dotsc ,w_{m}} von f ( v ) {\displaystyle f(v)} bezüglich B ′ {\displaystyle B'} gilt also
w i = ∑ j = 1 n a i j v j {\displaystyle w_{i}=\sum _{j=1}^{n}a_{ij}v_{j}} .Dies kann man mit Hilfe der Matrizenmultiplikation ausdrücken:
( w 1 ⋮ w m ) = ( a 11 … a 1 n ⋮ ⋮ a m 1 … a m n ) ( v 1 ⋮ v n ) {\displaystyle {\begin{pmatrix}w_{1}\\\vdots \\w_{m}\end{pmatrix}}={\begin{pmatrix}a_{11}&\dots &a_{1n}\\\vdots &&\vdots \\a_{m1}&\dots &a_{mn}\end{pmatrix}}\,{\begin{pmatrix}v_{1}\\\vdots \\v_{n}\end{pmatrix}}}Die Matrix M B ′ B ( f ) {\displaystyle M_{B'}^{B}(f)} heißt Abbildungsmatrix oder Darstellungsmatrix von f {\displaystyle f} . Andere Schreibweisen für M B ′ B ( f ) {\displaystyle M_{B'}^{B}(f)} sind B ′ f B {\displaystyle _{B'}f_{B}} und B ′ B {\displaystyle _{B'}_{B}} .
Bild und Kern stehen über den Dimensionssatz in Beziehung. Dieser sagt aus, dass die Dimension von V {\displaystyle V} gleich der Summe der Dimensionen des Bildes und des Kerns ist:
dim V = dim k e r ( f ) + dim i m ( f ) {\displaystyle \dim V=\dim \mathrm {ker} (f)+\dim \mathrm {im} (f)}Insbesondere in der Funktionalanalysis betrachtet man lineare Abbildungen zwischen unendlichdimensionalen Vektorräumen. In diesem Kontext nennt man die linearen Abbildungen meist lineare Operatoren. Die betrachteten Vektorräume tragen meist noch die zusätzliche Struktur eines normierten vollständigen Vektorraums. Solche Vektorräume heißen Banachräume. Im Gegensatz zum endlichdimensionalen Fall reicht es nicht, lineare Operatoren nur auf einer Basis zu untersuchen. Nach dem baireschen Kategoriensatz hat nämlich eine Basis eines unendlichdimensionalen Banachraums überabzählbar viele Elemente und die Existenz einer solchen Basis lässt sich nicht konstruktiv begründen, das heißt nur unter Verwendung des Auswahlaxioms. Man verwendet daher einen anderen Basisbegriff, etwa Orthonormalbasen oder allgemeiner Schauderbasen. Damit können gewisse Operatoren wie zum Beispiel Hilbert-Schmidt-Operatoren mithilfe „unendlich großer Matrizen“ dargestellt werden, wobei dann auch unendliche Linearkombinationen zugelassen werden müssen.
Die Menge L ( V , W ) {\displaystyle L(V,W)} der linearen Abbildungen von einem K {\displaystyle K} -Vektorraum V {\displaystyle V} in einen K {\displaystyle K} -Vektorraum W {\displaystyle W} -manchmal auch als Hom K ( V , W ) {\displaystyle {\text{Hom}}_{K}(V,W)} geschrieben- ist ein Vektorraum über K {\displaystyle K} , genauer: ein Untervektorraum des K {\displaystyle K} -Vektorraums aller Abbildungen von V {\displaystyle V} nach W {\displaystyle W} . Das bedeutet, dass die Summe zweier linearer Abbildungen f {\displaystyle f} und g {\displaystyle g} , komponentenweise definiert durch
( f + g ) : x ↦ f ( x ) + g ( x ) , {\displaystyle (f+g)\colon x\mapsto f(x)+g(x),}wieder eine lineare Abbildung ist und dass das Produkt
( λ f ) : x ↦ λ f ( x ) {\displaystyle (\lambda f)\colon x\mapsto \lambda f(x)}einer linearen Abbildung mit einem Skalar λ ∈ K {\displaystyle \lambda \in K} auch wieder eine lineare Abbildung ist.
Hat V {\displaystyle V} die Dimension n {\displaystyle n} und W {\displaystyle W} die Dimension m {\displaystyle m} , und sind in V {\displaystyle V} eine Basis B {\displaystyle B} und in W {\displaystyle W} eine Basis C {\displaystyle C} gegeben, so ist die Abbildung
L ( V , W ) → K m × n , f ↦ M C B ( f ) {\displaystyle L(V,W)\to K^{m\times n},\ f\mapsto M_{C}^{B}(f)}in den Matrizenraum K m × n {\displaystyle K^{m\times n}} ein Isomorphismus. Der Vektorraum L ( V , W ) {\displaystyle L(V,W)} hat also die Dimension m ⋅ n {\displaystyle m\cdot n} .
Betrachtet man die Menge der linearen Selbstabbildungen eines Vektorraums, also den Spezialfall V = W {\displaystyle V=W} , so bilden diese nicht nur einen Vektorraum, sondern mit der Verkettung von Abbildungen als Multiplikation eine assoziative Algebra, die kurz mit L ( V ) {\displaystyle L(V)} bezeichnet wird.
Eine lineare Abbildung ist ein Spezialfall einer affinen Abbildung.
Ersetzt man in der Definition der linearen Abbildung zwischen Vektorräumen den Körper durch einen Ring, erhält man einen Modulhomomorphismus.