Schwerstbehinderung

Die Schwerstbehinderung ist die Bezeichnung für eine Beeinträchtigung des ganzen Menschen in allen seinen Lebensvollzügen aufgrund komplexer Beeinträchtigung sehr vieler Fähigkeiten dieses Menschen. Es sind in der Regel alle Erlebens- und Ausdrucksmöglichkeiten, also emotionale, kognitive, körperliche, soziale und kommunikative Fähigkeiten, betroffen.

Es handelt sich also nicht um eine einzige Beeinträchtigung (landläufig bekannt als Behinderung) wie geistige oder körperliche Beeinträchtigung, sondern um angehäufte Beeinträchtigungen. Das heißt, dass sich verschiedene Beeinträchtigungen gegenseitig bedingen, verstärken und/oder verursachen, was letztendlich zur Schwerstbehinderung führt. Es ist daher auch keine Zuordnung zu einem der gängigen Leitsymptome (wie z. B. geistige, körperliche oder unterschiedliche Sinnesbehinderungen) möglich, weil diese dem Charakter der Komplexität der Beeinträchtigung und Ganzheitlichkeit des Individuums nicht gerecht werden würde.

Definition

Ursula Haupt und Andreas D. Fröhlich verstanden 1982 unter Schwerster Behinderung, im Gegensatz zu einer schweren Behinderung folgendes:

„Als schwerstbehindert werden körperbehinderte Kinder bezeichnet, die in allen Hauptbereichen der Entwicklung (psychomotorisch, emotional, kommunikativ, sozial, kognitiv) extreme Entwicklungsbeeinträchtigungen aufweisen. Es handelt sich um Kinder

Hans-Jürgen Pitsch (2003) beschreibt kurz die Positionen Mannfred Thalhammers und des Kollegiums seiner früheren Schule, wie schwere und schwerste Behinderung unterschieden werden:

Pragmatische Übereinkunft des Kollegiums

schwer: Wessen Verhalten durch verbale Hinweise aus der Distanz nicht zu steuern ist.
schwerst: Gezielte Bewegungen sind nur unter körperlicher Hilfestellung (z. B. Führen) möglich

Thalhammer

schwer: "ausdrucksfähige" Geistigbehinderte
schwerst: "eindrucksfähige" Geistigbehinderte

Otto Speck und Theodor Thesing/Michael Vogt fassen nach Hans-Jürgen Pitsch (2003) beide Formen zusammen.

Ursachen

Zur Entstehung der sog. Schwerstbehinderung – was was Anlagemässig bedingt (angeboren) sowohl auch in der prä-, peri- und postnatalen Zeit oder Schädigungen zu einem späteren Zeitpunlt (in jedem Alter, z. B. durch Unfälle) passieren kann – kann nur auf die bekannten Ursachen der verschiedenen Beeinträchtigungen, die im kumulativen Aspekt zur Schwerstbehinderung führen, verwiesen werden: Ursachen können demnach chromosomaler, genetischer, neurologischer und/oder traumatischer Natur sein.

Förderung

Menschen mit Schwerstbehinderung brauchen

Von solch einem defizitorientierten Definitionsansatz entwickelte sich die Sicht eines kompetenzorientierten Ansatzes. Man gelangt zur Darstellung ihrer Fähigkeiten:

Die Ursachen Schwerster Behinderung lassen sich nach dem Stand des heutigen medizinischen Wissens nicht genau festlegen.

„Vielmehr muss man sich an den allgemein bekannten Ursachen von Behinderungen orientieren. Damit ist die gesamte Breite von genetischen, chromosomalen, metabolischen, neurologischen und traumatischen Ursachen einzubeziehen. Dies gilt für die Pränatalzeit, Perinatalzeit und die nachgeburtliche Periode. Darüber hinaus können schädigende Ereignisse in jedem Lebensalter zu Formen schwerster Behinderung führen“ (Fröhlich, 1991). Es handelt sich dabei um eine Verkettung von mehreren Umständen und nicht nur um eine bestimmte entscheidende Ursache. Für Georg Feuser spielen neben den medizinischen Faktoren außerdem noch die gesellschaftlichen Einflüsse eine entscheidende Rolle. Er sieht zusammenfassend Schwerste Behinderung als Ausdruck der Aneignung von Welt innerhalb von Wechselprozessen zwischen den organischen Voraussetzungen des Individuums und den gesellschaftlichen Bedingungen (vgl. Feuser, 1979). Die Förderung schwerstbehinderter Menschen baut auf besondere Bedürfnisse dieser auf:

Haupt sieht als eine Möglichkeit der Förderung folgendes:

„(...) entwicklungsanaloge Förderung geschieht in dem Bewusstsein, dass Analogie nicht Gleichheit ist. Schwerstbehinderte Schüler sind nicht Säuglinge, sind nicht Kleinkinder. Die Entwicklung schwerstbehinderter Kinder weist Analogien zur Entwicklung nichtbehinderter Kinder auf und andere Möglichkeiten, kreative Lösungen der Lebensenergie im vernetzten Organismus für Kommunikation, Interaktion und Lernen“ (Haupt, 1996).

Die Orientierung an basalen Bedürfnissen kann dabei durchaus in Verbindung mit dem Angebot von inhaltlichen, elementarisierten Lernzielen erfolgen, wie beispielsweise im Rahmen der Basalen Aktionsgeschichten nach Goudarzi, den "mehr Sinn"-Geschichten nach Fornefeld oder bei Angeboten des Basalen Theaters.

Literatur