Théophile Gautier

Théophile Gautier 1856, Aufnahme Nadar

Théophile Gautier (* 30. August 1811 in Tarbes, Département Hautes-Pyrénées; † 23. Oktober 1872 in Neuilly-sur-Seine bei Paris) war ein französischer Schriftsteller.

Leben und Schaffen

Gautier wurde in Tarbes (Südwestfrankreich) geboren und wuchs in Paris auf. Nach Abschluss des Gymnasiums dachte er zunächst an eine Zukunft als Maler. 1829 schloss er sich dem Literatenkreis „Cénacle“ um Victor Hugo an. 1830 erschien er zur Uraufführung von Hugos Stück Hernani mit einem provozierenden, weil im Theater unziemlichen roten Wams, dem legendär gewordenen „gilet rouge“, und war einer der lautesten Claqueure in der legendären bataille d'Hernani.

Er publizierte dann Gedichte und Erzählungen und wurde zu einem der Hauptrepräsentanten der „Bohème“, des provokativ unangepassten Literaten- und Künstlermilieus am Rand der bourgeoisen Pariser Gesellschaft. Er war ein Verehrer der Romantik und von E. T. A. Hoffmann, über dessen fantastische Erzählungen er in der Chronique de Paris 1836 schrieb und der ihn zu eigenen fantastischen Erzählungen inspirierte (wie La Cafetière 1831, Onuphrius 1832, Le pied de momie 1840).

Sein erster Erfolg war der Briefroman Mademoiselle Maupin (1835), die Geschichte einer jungen Frau, die als Mann verkleidet in homo- und hetero-erotischen Erfahrungen ihr Liebesideal zu verwirklichen versucht, dies in einer schönen Nacht auch schafft, dann aber auf jede Fortsetzung verzichtet, um nicht in der Routine einer Beziehung zu versanden. Literarhistorisch ist vor allem das Vorwort des Romans interessant, wo Gautier die Theorie des l’art pour l’art entwirft, d. h. die Doktrin, dass Kunst völlig zweckfrei zu sein habe, jedes gesellschaftliche oder gar politische Engagement meiden müsse und allein in der Perfektion ihrer Produkte einen Sinn finde – eine Doktrin, in der die kollektive Frustration einer ganzen Intellektuellen-Generation zum Ausdruck kommt, die durch die Julirevolution von 1830 zunächst in Aufbruchstimmung versetzt, dann aber durch die politische Repression nach 1832 enttäuscht worden war.

Théophile Gautier, Porträt von Théodore Chassériau (Musée du Louvre).

Ab 1836 verdiente Gautier sein Geld bei der sich rasant entwickelnden Presse mit Berichten über gesellschaftliche Ereignisse, Kunstausstellungen und literarische Neuerscheinungen, aber auch mit den bei Zeitschriften und Buchverlagen begehrten Reisereportagen und -impressionen, für die er (z. T. zusammen mit seinem Schulkameraden Gérard de Nerval) England, Holland, Belgien und den Mittelmeerraum bereiste.

Gautier war Anhänger des Mesmerismus. „Der tierische Magnetismus ist eine von der Wissenschaft längst anerkannte Tatsache, daran darf man keinesfalls zweifeln.“ (in einer Rezension des Lustspiels „Tronquette, der Schlafwandler“ der Brüder Cogniard, etwa 1838). Eine Spiegelung dieser Überzeugung ist sein Avatar-Roman von 1856.

In den Jahren nach 1839 versuchte sich Gautier, eher glücklos, auch als Dramatiker mit den Stücken Une larme du diable („Eine Träne des Teufels“), Le Tricorne Enchanté („Der verzauberte Dreispitz(hut)“) und Pierrot posthume sowie, mit mehr Glück, als Librettist. 1841 erzielte das Ballettstück Giselle einen fulminanten Erfolg.

Bekannt geworden ist er auch als Mitbegründer und wichtiger Teilnehmer des Club des Hachichins, der von etwa 1844 bis 1849 existierte und die Bohème stark beeinflusste. Gautier gründete ihn mit dem Pariser Psychiater Jacques-Joseph Moreau, der dort und in seiner Klinik mit dem seit Napoleons Ägyptenfeldzug in Frankreich bekannt gewordenen Haschisch experimentierte und als erster Mediziner systematisch die Wirkung von Rauschdrogen auf das zentrale Nervensystem untersuchte. Im Hôtel de Lauzun lebten Théophile Gautier, der Dichter Charles Baudelaire und der Maler Fernand Boissard; man traf sich in den Räumen von Boissard. Gautier verfasste einige der vielleicht einflussreichsten Beschreibungen des Haschischrauschs, wobei das Haschisch als Konfekt gegessen wurde. Seine farbigen Erlebnisse veröffentlichte er 1846 in dem Erzählband Le Club des Hachichins.

Daneben verfasste er weiterhin Erzählungen und schrieb vor allem Gedichte, die er wie ein Kunsthandwerker ziselierte. Berühmt wurde seine Gedichtsammlung Émaux et camées („Emaillen und Kameen“, 1852), die einer ganzen Lyrikergeneration, den „Parnassiens“, als Vorbild galt.

Gautiers späte Romane, Le Roman de la momie (1858) und Le Capitaine Fracasse (1863), waren nur mäßig erfolgreich.

Théophile Gautier heiratete Ernesta Grisi, die Schwester von Carlotta Grisi. Carlotta war Théophiles eigentliche große Liebe, erwiderte diese aber nicht. Er hatte mit seiner Mätresse Eugénie Fort einen Sohn (Théophile Gautier fils) und mit Ernesta zwei Töchter. Beide heirateten schriftstellerische Protegés von Gautier: die jüngere – Estelle Gautier – heiratete Émile Bergerat, die ältere – Judith Gautier – gegen den Willen ihres Vaters Catulle Mendès. Ernesta stellte sich auf Judiths Seite; ihre Ehe mit Théophile zerbrach.

Werke

Théophile Gautier 1839, Porträt von Auguste de Chatillon

Erstausgaben

Übersetzungen

Vertonungen

Verfilmungen

Gautiers Erzählung La Toison d’or diente mit seiner Thematik wahrscheinlich dem Kriminalroman D’entre les morts (1954) von Pierre Boileau und Thomas Narcejac als Vorbild, der wiederum als Vertigo – Aus dem Reich der Toten von Alfred Hitchcock verfilmt wurde.

Literatur

Weblinks

Wikisource: Théophile Gautier – Quellen und Volltexte (französisch) Wikisource: Théophile Gautier – Quellen und Volltexte Wikiquote: Théophile Gautier – Zitate Commons: Théophile Gautier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Belege

  1. Alfred Springer: Die Bedeutung der Haschischexperimente des 19. Jahrhunderts – Bemerkungen zum Wiederabdruck von Theophile Gautier’s „Klub der Haschischesser“. In Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jg. 27 2004 Nr. 2/3, S. 47–52.
  2. Max Nyffeler: Der gescheiterte Körpertausch. „Avatar“, eine neue Oper von Roland Moser. Rezension auf beckmesser.de.
  3. Edi Zollinger: Hitchcocks «Vertigo» hat eine bisher unbekannte Vorgeschichte. In: Neue Zürcher Zeitung. (nzz.ch ). 
Normdaten (Person): GND: 11853789X | LCCN: n79079291 | NDL: 00440642 | VIAF: 96428598 |