Der Werberat der deutschen Wirtschaft war eine Anstalt des öffentlichen Rechts in der Zeit des Nationalsozialismus und diente der Gleichschaltung der Werbewirtschaft im NS-Staat.
Mit dem Gesetz über Wirtschaftswerbung vom 12. September 1933 (RGBl. I S. 625) schuf das Deutsche Reich die Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines „Werberats der deutschen Wirtschaft“. Dessen zentrale Aufgabe bestand darin, „zwecks einheitlicher und wirksamer Gestaltung … das gesamte öffentliche und private Werbungs-, Anzeigen-, Ausstellungs-, Messe- und Reklamewesen“ zu beaufsichtigen.
Der staatliche Eingriff in die freie werbliche Betätigung wurde mit den durch die Werbebranche beklagten, allgemein als „Missstände“ bezeichneten Verhältnissen in der Weimarer Republik begründet: geringe Akzeptanz der Werbung durch die Bevölkerung, rücksichtslose, täuschende oder wahrheitswidrige Werbeaussagen, Marktschreierei, gröbliche Geschmacksverirrungen, Verschandelung der Städte und der Landschaft durch Außenwerbung, fehlende Qualifikation der Werbetätigen, Auflagenschwindel, fortlaufender Anstieg der Insertionsgebühren, hohe Rabattierung, fehlende Normen bei Formaten der Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, bei Satzspiegel- und Druckstockgrößen sowie Spaltenbreiten u. a. Es wurde behauptet, dass die „liberalistische“ Wirtschaftsauffassung der Weimarer Republik mit ihren chaotischen Zuständen verantwortlich für die „Missstände“ in der Werbewirtschaft sei. Ihre Beseitigung wurde von den Nationalsozialisten in Aussicht gestellt. Eine Absatzsteigerung von Waren und Leistungen durch Förderung der Werbung im In- und Ausland, die Verbrauchslenkung und die Aufklärung der Bevölkerung, auch zur Stärkung der wirtschaftlichen Autarkie, waren weitere wichtige Ziele.
Die Eröffnungssitzung des Verwaltungsrats fand am 30. Oktober 1933 auf Einladung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels im Thronsaal des ehemaligen Prinz-Friedrich-Leopold-Palais in Berlin statt.
Als Vorsitzende des Verwaltungsrates waren benannt:
Die weiteren Mitglieder des erstmalig zusammentretenden Verwaltungsrats wurden vom Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda im Einvernehmen mit den zuständigen Fachministern berufen:
1933 wurden der Ministerialdirektor i. R. Ernst Reichard Präsident und Heinrich Hunke ständiger Vertreter des Präsidenten und hauptamtlicher Geschäftsführer. Am 1. Februar 1939 wurde Hunke durch den Minister für Volksaufklärung und Propaganda Goebbels zum Präsidenten des Werberats der deutschen Wirtschaft berufen.
Der Werberat war gegliedert in vier Hauptabteilungen, weiter untergliedert in Abteilungen und Sachgebiete, laut Geschäftsverteilungsplan des Werberats vom 16. April 1934:
Präsident und Geschäftsführer des Werberats besaßen den Status von Reichsbeamten.
Fachausschüsse dienten der Beratung des Werberats. Sie waren direkt dem Präsidenten unterstellt. Die vom Präsidenten ernannten Mitglieder der Fachausschüsse bestanden überwiegend aus Vertretern von Werbekunden und der Werbewirtschaft. Bis Anfang 1935 berief Präsident Reichhard neun Fachausschüsse für allgemeine Angelegenheiten, für Gemeinschaftswerbung, für Agrarwerbung, für Ursprungs- und Gütemarken, für Messen und Ausstellungen, für Auslandswerbung, für Anzeigenwesen, für Außenreklame und für Verkehrs- und sonstige Reklamemittel. Diese Fachausschüsse wurden 1935 ersetzt durch den Ausschuss für allgemeine Angelegenheiten, den Ausschuss für Messe und Ausstellungen, den Ausschuss für Inhalt und Form der Werbung, den Ausschuss für Auslandswerbung sowie den Ständigen Ausschuss, der als einziger regelmäßig tagte.
Die Mitarbeiterzahl des Werberats stieg zwischen 1933 und 1941 von 89 auf 189 Personen.
Nach Kriegsbeginn im September 1939 war ein allmählicher Rückgang der Werbung festzustellen, der auch durch spürbarer werdenden Papiermangel verursacht wurde. Der Werberat agierte zunehmend als Instrument der kriegswirtschaftlichen Aufklärung.
1943 gab es im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Überlegungen zur Stilllegung des Werberats für die Dauer des Krieges, weil er als entbehrlich angesehen wurde. Minister Goebbels entschied sich am 7. Juli 1943 gegen eine Stilllegung des Werberats, aber für eine Einschränkung seiner Tätigkeit. Das Ministerium ordnete daraufhin einen Personalabbau beim Werberat um ein Drittel an. Der Betrieb des Werberats konnte mit den Hauptabteilungen Inland und Messen- und Ausstellungen fortgeführt werden.
Der Werberat generierte Einnahmen zum weit überwiegenden Teil aus den erhobenen Werbeabgaben. Die in den Haushaltsvorschlägen genannten Einnahmen durch Werbeabgaben stiegen von 5.800.000 RM im Jahr 1935 auf 7.346.304 RM im Jahr 1939 an, um bis 1944 wieder auf 1.356.000 RM zu sinken. Die Ausgaben des Werberats dienten der Bezahlung der Mitarbeiter und sonstiger Verwaltungsaufwendungen sowie zum größten Teil der Finanzierung von Werbemaßnahmen. Im Rechnungsjahr 1944 musste ein Fehlbetrag von 1.780.000 Reichsmark ausgeglichen werden.
Durch das Gesetz musste derjenige, der Wirtschaftswerbung machen wollte, eine Genehmigung des Werberats einholen und konnte dafür gemäß ministerieller Verordnung zu einer Abgabe verpflichtet werden. Damit bestand eine zentrale Steuerungsmöglichkeit für die gesamte Werbebranche. Der Werberat konnte die Werbung sowohl hinsichtlich des Inhalts und der äußeren Form (Werbeästhetik), als auch im Hinblick auf einzelne Werbemittel (Anzeigenwerbung, Außenwerbung, Verkehrswerbung) reglementieren und seine Kompetenzen im Rahmen der nationalsozialistischen Wirtschaftslenkung und „Arisierung“ zum Einsatz bringen. Faktisch mangelte es dem Werberat allerdings mitunter an Zwangsmitteln, um seine Bekanntmachungen, Bestimmungen und sonstigen Anordnungen durchsetzen zu können.
Die Berufsstände der Werbewirtschaft wurden von den Nationalsozialisten ab 1933 umstrukturiert und der Aufsicht und Kontrolle des Werberats unterstellt. Unliebsame Personen, politische Gegner und ausländische und jüdische Werbefachleute und -agenturen verloren nach und nach ihre Arbeitsplätze und Verdienstmöglichkeiten.
In der deutschen Werbewirtschaft waren 1935 hauptberuflich tätig: 6.000 Betriebswerber, 12.000 Gebrauchswerber, 6.000 Gebrauchsgraphiker, 2.500 Verkehrswerber, 171 Werbungsmittler, 8.000 Verlagsvertreter, 10.000 Propagandisten und Propagandistinnen 800 Bogenanschlagunternehmer mit etwa 2000 Beschäftigten und 4.000 Adressbuchverleger. In etwa 2.100 Zeitungsverlagen mit 2674 Zeitungen und 2.800 Zeitschriftenverlagen mit etwa 5.000 Zeitschriften, im graphischen Gewerbe, der Filmwirtschaft und weiteren Wirtschaftsbereichen arbeiteten weitere Beschäftigte in der Herstellung von Produkten mit Werbung. Hinzu kamen 75.000 Bezieherwerber und 220.000 Handelsvertreter und Geschäftsreisende, die für ihre Produkte warben. Die Ausgaben für Werbung wurden für 1935 auf Basis der Werbeabgabe und ergänzenden Schätzungen auf 1 bis 1,1 Mrd. Reichsmark geschätzt.
Werbung hatte in Gesinnung und Ausdruck „deutsch“ zu sein und durfte das „sittliche Empfinden des deutschen Volks“, insbesondere sein „religiöses, vaterländisches und politisches Fühlen und Wollen“ nicht verletzen. Diese Bestimmungen konnten nach Belieben angewendet werden. Verleger konnten Anzeigen mit Verweis auf Inhalt, Herkunft oder Form ablehnen. Davon betroffen waren insbesondere Unternehmen mit jüdischen Eigentümern. Eine Warnung des Werberats war: Sollte ein Verlag ausgerechnet unter die Anzeige eines jüdischen Unternehmens die Schlagzeile »Deutsche, kauft deutsche Waren« setzten, sei dies »geschmacklos und eine Verletzung des politischen Fühlens weiter Volksschichten«. Das Amtsgericht Jena urteilte am 14. September 1937: „Es widerspricht den elementarsten nationalsozialistischen Grundsätzen, dass eine parteiamtliche Zeitung Anzeigen von Nichtariern aufnimmt. Zu dem lebenswichtigen Kampf um die Freiheit der Presse vom jüdischen Einfluss gehörte und gehört die Ausschaltung der jüdischen Anzeigenaufträge. Es ist deshalb für jeden Deutschen selbstverständlich‚ dass eine nationalsozialistische Zeitung keine Anzeigen von Juden oder Judenstämmlingen aufnimmt. (…) Darum ist ein solcher trotzdem abgeschlossener Vertrag von vornherein nichtig.“
Mit zwei Verordnungen, der Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April 1938 und der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938, wurde die jüdische Bevölkerung endgültig aus dem Wirtschaftsleben verdrängt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1939 widerrief der Werberat alle an die 76 verbliebenen jüdischen Werbefachleute erteilten Sondergenehmigungen. Damit hatte die „Entjudung“ der Werbewirtschaft ihren Abschluss gefunden.
Nach Kriegsende wurde dem Werberat der deutschen Wirtschaft durch das Gesetz Nr. 191 der Militärregierung jegliche Amtsausübung verboten.
Das Deutsche Führerlexikon 1934–1935. Berlin: Verlagsanstalt Otto Stolberg GmbH, 1934. (Digitalisat)