Barbar

Barbar (von altgriechisch βάρβαρος bárbaros, Plural βάρβαροι bárbaroi) war im antiken Griechenland die ursprüngliche Bezeichnung für alle diejenigen, die nicht (oder schlecht) Griechisch und damit unverständlich sprachen (wörtlich „Stammler“, „Stotterer“, eigentlich: „br-br-Sager“). Parallel wurde von den Indern das Sanskrit-Wort barbarāh (Plur.), ‚Stammler, Laller‘ zur Bezeichnung fremdartiger Völker verwendet.

Später bezeichnete der Begriff „Barbaren“ Völkerschaften, die nach antiker Auffassung der Griechen und Römer auf einer niedereren Kulturstufe standen als sie selbst.

Im modernen Sprachgebrauch wird der Begriff abfällig in der Bedeutung „roh-unzivilisierte, ungebildete Menschen“ verwendet. Der Begriff „Barbar“ („ein europäisches Schlüsselwort“) bzw. „Barbarentum“ dient seit Beginn der Antike innerhalb eines helleno- bzw. ethnozentrischen Weltbildes als abgrenzende und abwertende Bezeichnung für die Andersartigkeit fremder Kulturen, seien sie in regionaler (vor allem Rand- und Grenzvölker) oder weltanschaulicher (Christen, „Heiden“, Juden) Distanz. Parallel dazu geht eine stark rhetorisch-propagandistisch aufgeladene Verwendung des Begriffs, die selten die reale Nähe oder Ferne der jeweils gegenübergestellten Kulturen trifft. „Die Sprachfigur blieb erhalten, sofern der negativ besetzbare Pol des Barbaren oder der Barbarei immer zur Verfügung stand, um die jeweils eigene Stellung per negationem abzuschirmen oder expansiv auszubreiten.“

Zur Bedeutung

Im griechischen Bereich erscheint der Ausdruck erstmals bei Homer (Ilias II, Vers 867), und zwar in Bezug auf die „barbarisch sprechenden“ (barbarophonoi) kleinasiatischen Karer.

Die Sammelbezeichnung Barbaren war fortan für alle Nichtgriechen bestimmt, für Völker also, die nicht Griechisch sprachen oder nicht die Olympischen Götter verehrten. Dies war zunächst wohl kein Ausdruck von Verachtung. Auch in den Historien des Herodot ist die Einleitung bedeutsam, wo er parallelisierend vom Ruhm der Griechen und Barbaren spricht. Jedoch wandelte sich bereits ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. der Begriff. Auch die griechische Identität(en) stiftenden Perserkriege trugen zur Begründung des später geläufigen Barbarenbildes bei. So wurden später ganz allgemein kulturell Unterlegene, ob Griechen oder nicht, als „Barbaren“ bezeichnet – die demokratischen Athener nannten beispielsweise die kriegerischen Lakedaimonier Spartas „Barbaren“.

Die Römer, die den Griechen anfangs selbst als Barbaren galten, übernahmen die Bezeichnung barbarus für alle Menschen ohne griechisch-römische Bildung, da die Römer seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert die Kultur und Bildung der besiegten Griechen schätzen lernten. Daher hatten gebildete Griechen bei den Römern eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft. Sie waren in den römischen Familien (zum Beispiel der Scipionen) als Erzieher beschäftigt (vgl. Polybios), und die griechische Philosophie und Bildung wurde auch im Römischen Reich hoch geehrt. Es existierten durchaus stereotype Vorurteile gegenüber Germanen und andere Personen, die von außerhalb des griechisch-römischen Kulturkreises stammten, wie in den Quellen gerade im Zusammenhang mit der sogenannten Völkerwanderung belegt ist, als auch römische Offiziere „barbarischer Herkunft“ Verschwörungen bei Hof zum Opfer fielen (etwa Stilicho).

Einen Bürger Roms als einen barbarus zu bezeichnen, war in bestimmten Zusammenhängen eine grobe Beleidigung. In der modernen Forschung wird bisweilen das Gebiet außerhalb des römischen Imperiums als Barbaricum bezeichnet. Zugleich aber wandelte sich in der Spätantike die Bedeutung von barbarus: Das Wort konnte nun auch durchaus positiv im Sinne von „wild“, „kriegerisch“, „mutig“ verwendet werden und bezeichnete nicht mehr unbedingt einen Nichtrömer, sondern eine Person, die kein Zivilist war. (Das italienische bravo und das englische Wort brave sowie das deutsche brav sind von barbarus abgeleitet – wobei sich die ursprüngliche Bedeutung somit im Deutschen ins Gegenteil gewandelt hat).

In europäischen Geschichtstheorien des 18. und 19. Jahrhunderts wurde der Begriff zur Charakterisierung einer Phase im linear verstandenen Entwicklungsprozess (siehe auch: Evolutionismus, Sozialdarwinismus) der Menschheit verwendet. Hierbei wurden die „Wilden“ (Jäger-und-Sammler-Kulturen), die „Barbaren“ (traditionelle Feldbauern oder nomadische Viehzüchter-Kulturen) – später zusammen als „Naturvölker“ bezeichnet – und die „Zivilisierten“ (agrarisch-städtische, schriftverwendende staatliche Hochkulturen) unterschieden, die später „Kulturvölker“ genannt wurden.

Im heutigen Wortgebrauch bezeichnet der Begriff abwertend Menschen, deren Verhaltensstandards weniger „zivilisiert“, also von weniger Selbstkontrolle gekennzeichnet sind als der Standard der Person, die jeweils den Begriff verwendet. Die so bezeichnete Person wird also zum Beispiel als gewalttätiger, lauter oder direkter im emotionalen Ausdruck empfunden. Weitere abwertende Begriffe mit ähnlicher Bedeutung sind etwa: Person mit „ungeschliffenem“, „unzivilisiertem“, „primitivem“, „kulturlosem“ oder „rohem“ Verhalten.

Der Gegenbegriff zu „barbarisch“ ist heute demgemäß etwa „zivilisiert“.

Begriffsgeschichte

Der Begriff des Barbaren hat bis in unsere heutige Zeit viele Bedeutungswandel erfahren. Daher kann man nicht mehr von einer konkreten Bezeichnung ausgehen, sondern er ist vielmehr eine Metapher, welche sich im Laufe der Geschichte veränderte.

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Barbar – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Jutta Kollesch, Diethard Nickel: Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Römer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1, S. 205, Anm. 5.
  2. Arno Borst: Barbaren, Geschichte eines europäischen Schlagworts, in: Ders.: Barbaren, Ketzer und Artisten. Welten des Mittelalters, München 1988, S. 19.
  3. Vgl. Volker Losemann: Barbaren, in: Der Neue Pauly 2 (1997), Sp. 439 f., 443.
  4. Reinhart Koselleck: Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe (1975), in: Ders.: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (stw 757). Frankfurt a. M. 1979, S. 228 f.
  5. Josef Wiesehöfer: Die Geschichte Irans von den Achaimeniden bis in frühislamische Zeit. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 55–74, hier: S. 63.
  6. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 6., verbesserte und vermehrte Auflage. Trübner, Straßburg 1899, S. 56 (Digitalisat); Friedrich Kluge, Elmar Seebold : Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 22., neu bearbeitete Auflage. De Gruyter, Berlin / New York 1989, S. 104 (Digitalisat).
  7. Vgl. beispielsweise Aischylos: Die Perser. 187, 255 und 337.
  8. Vgl. etwa Kai Vogelsang: Geschichte Chinas. 3., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Stuttgart 2013, S. 144 f.
  9. Georg Scheibelreiter: Die barbarische Gesellschaft. Darmstadt 1999, insbes. S. 215 ff.
  10. Anthony Pagden: The Fall of Natural Man. The American Indian and the origins of comparative ethnology. Cambridge University Press, Cambridge 1989, ISBN 978-0-521-33704-5, S. 15–20.
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4124605-6