John Blow

John Blow

John Blow (getauft 23. Februar 1649 in Newark-on-Trent (Nottinghamshire); † 1. Oktober 1708 in London) war ein englischer Komponist, Organist und Musikpädagoge des Barock.

Leben und Wirken

John Blow stammt aus einfachen Verhältnissen und war das zweite Kind von Henry und Katherine Blow, die im Jahr 1646 in Newark geheiratet hatten. Wahrscheinlich war er einer der sechs Musikschüler an der Magnus-Song-Schule in Newark, und er gehörte zu den fünf Knaben aus Newark und Lincoln, welche Henry Cooke (um 1615–1672) im Winter 1660/61 für die Chapel Royal angeworben hatte, nachdem der Chor der Chapel Royal im Zuge der Wiedereinsetzung von König Karl II. neu organisiert worden war; außer ihm gehörten zu dieser Gruppe Pelham Humfrey und William Turner. Seine Ausbildung erhielt Blow von Henry Cooke und Christopher Gibbons. Er zeigte schon früh ein vielversprechendes kompositorisches Talent: Während er noch Chorsänger war, gehörten mindestens drei seiner Anthems zum Repertoire der Kapelle, nämlich »I will magnify thee«, »Lord, rebuke me not« und »Lord, thou hast been our refuge«. Als der Komponist 1664 in den Stimmbruch kam, blieb er in Cookes Obhut und setzte seine Studien bei Christopher Gibbons fort, einem der Kapell-Organisten. Im Dezember 1668 bekam er als Nachfolger von Albert Bryne seine erste Anstellung an der Westminster-Abtei. Das erste datierte Anthem Blows, »O Lord, I have sinned«, wurde im Jahr 1670 zur Beisetzung des Herzogs von Albemarle verfasst. Ein Jahr zuvor, im Januar 1669, erhielt er seine erste Stellung am königlichen Hof als Betreuer der Cembali (virginals), und er wirkte 1671 als außerplanmäßiger Organist, nachdem die Chapel Royal im Sommer nach Windsor umgezogen war.

Blow nahm auch bald unter den Musikern der Stadt eine ranghohe Stellung ein: Er war 1672 ein Assistent der Corporation of Music und bekleidete 1673 und 1676 das Amt ihres Vorstehers; am 16. März 1673 wurde er als »Diener« der Chapel Royal in der Nachfolge von Roger Hill vereidigt, wonach in rascher Folge weitere bedeutende Anstellungen folgten: Im Juli 1674 als Nachfolger von Pelham Humfrey als Leiter des Knabenchors der Chapel Royal und als regulärer Komponist der »private music«; ab dieser Zeit war auch Henry Purcell sein Schüler. Im Oktober 1676 wurde er als Nachfolger von Christopher Gibbons einer der drei Organisten der Chapel. Im September 1674 hatte er Elizabeth Braddock geheiratet, die Tochter des Chorleiters der Westminster-Abtei. Sie hatten fünf Kinder, von denen nur drei Töchter den Vater überlebten; von den Söhnen starb Henry, der Älteste, im frühen Kindesalter, und John, »ein junger Mann von großer Kühnheit und überaus großer Hoffnung«, starb 1693 mit 15 Jahren. Elizabeth Blow verstarb im Oktober 1683 im Kindbett. Der Komponist heiratete nicht mehr und lebte dann im »Großen Heiligtum« (Broad Sanctuary) in Westminster.

Blow übte als Knabenchor-Leiter einen sehr großen Einfluss auf die dortigen angehenden Musiker aus, die später Komponisten wurden; dies waren beispielsweise William Croft, Jeremiah Clarke (I), Daniel Purcell, Henry Hall (I), John Walter, Francis Pigott, James Helestine, John Robinson, Vaughan Richardson und Bernard Gates. Obwohl er mit vielen, teilweise schweren Pflichten belastet war, schuf er in den 1670er Jahren eine eindrucksvolle Anzahl geistlicher Kompositionen, darunter 30 Anthems mit großer Besetzung, mehreren durchkomponierten Services (Gottesdiensten) und neun lateinischen Motetten. Dekan und Domkapitel von Canterbury verliehen ihm im Dezember 1677 den »Ersten Lambethischen Doktorgrad der Musik«. Am Michaelistag machte er die Organistenstelle an der Westminster Abbey für Henry Purcell frei; beide Männer verband neben einer engen beruflichen Beziehung eine lebenslange Freundschaft. In den 1680er Jahren verfasste Blow eine große Zahl weiterer kirchenmusikalischer Werke, schuf aber auch zunehmend weltliche Werke, darunter jährlich mindestens eine Ode für den königlichen Hof; hinzu kamen etliche Gelegenheitswerke zu anderen Ereignissen. Ab 1678 erschienen auch Lieder von ihm in veröffentlichten Sammlungen. Sein einziges dramatisches Bühnenwerk, das Maskenspiel Venus und Adonis, wurde vermutlich 1683 bei Hofe erstmals aufgeführt. Für die Krönung von König James II. 1685 hatte Blow drei Anthems vorgesehen, und vier Jahre später wurde von ihm zur Krönung von William und Mary »The Lord God is a sun and a shield« aufgeführt. Nach dem Londoner Großbrand von 1666 hatte sich der Chor der St.-Pauls-Kathedrale aufgelöst; Blow sorgte für die Reorganisation dieses Chors und wurde daraufhin zum Leiter des Chors und zum »Almoner« ernannt; diese Stellung behielt er bis zum Jahr 1703.

Nach dem Tod von Henry Purcell 1695 wurde Blow erneut zum Organisten der Westminster Abbey berufen und kehrte damit auf seine frühere Stelle zurück. Im März 1700 wurde für ihn am königlichen Hof die neue Stelle eines Komponisten der Chapel Royal geschaffen. Ab dem Jahr 1703 begann er, sich nach und nach aus seinen zahlreichen Verpflichtungen zurückzuziehen, teilweise zu Gunsten von Jeremiah Clarke. Zusammen mit seinen verbliebenen Aufgaben setzte er seine Dienste an der Westminster-Abtei bis zu seinem Tod 1708 fort. In seinem neun Monate zuvor geschriebenen Testament beschrieb er sich selbst als von schlechter Gesundheit. Nach seinem Ableben wurde er in der nördlichen Apsis der Westminster-Abtei dicht neben dem Grab von Henry Purcell beigesetzt. Hier weist ihn eine Gedenktafel als »Master to the famous Mr. H. Purcell« aus. Blows sorgfältige Buchführung über seine Vermögenswerte trug insofern Früchte, als er bei seinem Tod Kapitalanlagen in acht Pachtgrundstücken besaß und darüber hinaus erheblichen Landbesitz in Hampton. Außer kleineren Erbteilen für seinen Diener, seine Schwester und seine Nichte hinterließ er den Hauptteil seines Vermögens seinen drei überlebenden Töchtern.

Bedeutung

John Blow war in der Londoner Musikwelt der führende Vertreter seiner Zeit. Er war außerordentlich fruchtbar in verschiedenen Kompositionstypen und aufgeschlossen gegenüber progressiven Strömungen, die vom Kontinent nach England gelangten. Die Qualität seiner Werke war durchaus unterschiedlich, konnte aber in seinen besten Stücken äußerst ausdrucksstark sein. Venus und Adonis war sein einziges dramatisches Werk. Es wird vom Komponisten als Maskenspiel bezeichnet, ist aber eher eine Miniaturoper ohne gesprochene Dialoge und die erste dieser Art in der Musikgeschichte Englands; sie zeigt Einflüsse des französischen Stils, hat aber als Ganzes kein direktes Vorbild. Das Werk Dido and Aeneas von Henry Purcell hat dieses Maskenspiel deutlich als Vorbild.

Die Kirchenmusik nimmt in Blows Schaffen einen großen Raum ein, meistenteils geschrieben für die Londoner Chapel Royal; dies sind hauptsächlich Verse Anthems (Anthems für Solostimmen) mit Solo-Parts für Männerstimmen und Basso continuo. Diese Verse Anthems, meist nur mit zusätzlichen Streicherstimmen, gehören zu seinen bedeutendsten Arbeiten, nachdem er diese Form von Humfrey übernommen und weiterentwickelt hatte. Die Besten davon sind »I Beheld, and Lo, a Great Multitude«, »Blessed is the Man« (Psalm 1), »I Said in the Cutting off of My Days«, »The Lord is My Shepherd« und »Cry Loud and Spare Not«. Als Weiterentwicklung der letzteren können die späteren Stücke für besondere Anlässe gelten: »I Was Glad«, »Blessed is the Man« (Psalm 112) und »O Sing unto Lord« (Psalm 96). Er führte auch eine ältere polyphone Tradition englischer Kirchenmusik mit einer Reihe von Full Anthems (Anthems mit ganzem Chor) weiter; die betreffendem mit Bußcharakter sind in ihrer Düsternis besonders beeindruckend. Das Krönungs-Anthem »God Spake Sometime in Visions«, gediegen und würdevoll, verbindet vollstimmige Chorabschnitte mit instrumentalen Passagen und Streicher-Begleitung. Von seinen zahlreichen Services ist nur sein Evening-Service von Bedeutung, ein Magnificat und ein Nunc dimittis in G-Dur; hier wird ein alter polyphoner Stil mit der Freiheit des späten 17. Jahrhunderts schwungvoll wiederbelebt. Blows festliches Te Deum und Jubilate mit Streichorchester und Trompeten für den Cäcilientag 1695 führt, zusammen mit Purcells gleichnamigem Werk von 1694, stilistisch direkt zu dem berühmten Utrechter Tedeum von Georg Friedrich Händel aus dem Jahr 1713. Darüber hinaus gibt es noch elf geistliche Stücke auf lateinische Texte; davon sind neun Bicinien, wobei dreien davon ein Ground zugrunde liegt, des Weiteren das überschwängliche fünfstimmige »Gloria patri qui creavit nos« und die leidenschaftliche Vertonung des »Salvator mundi«, in welcher die kühne Handhabung der Tonart-Verwandtschaften und er chromatischen Dissonanzen besonders auffallen.

Das früheste weltliche Werk Blows von Bedeutung ist das lyrische Stück »Awake, Awake, My Lyre!« für Soli, Chor und Streicher von 1678. Von geringerem musikalischem Interesse sind seine zahlreichen höfischen Oden, ausgenommen »Begin the Song« zum Cäcilientag 1684, die eine auffällige Beherrschung der neueren italienischen Einflüsse und einen großen Stilfortschritt gegenüber Purcells Ode von 1683 zeigt. Er hat auch nur eine einzige Triosonate komponiert. Sein einzelnes vierstimmiges Werk für Streicher bezeichnete Blow als Chacone, obwohl ihm kein Ground zugrunde liegt, und zeigt Erfindungsgabe und einen Sinn für formale Gestaltung. Nachdem in England zu jener Zeit der Orgeltyp des zweimanualigen Instruments ohne Pedal vorherrschte, ist keine klare Abgrenzung zwischen Orgelwerken und Werken für andere Tasteninstrumente möglich; vor Aufführungen muss dies individuell entschieden werden. Zu den allgemein dem Cembalo zugeschriebenen Kompositionen Blows gehören bis auf wenige Ausnahmen kurze Tanzsätze; einige freie Stücke von ihm erfordern eine progressive Technik, insbesondere Werke über Grounds, außerdem zwei weitere mehrteilige Stücke, die er jeweils als Chacone bezeichnet hat. Die eher der Orgel zugehörenden Stücke zeigen eine deutliche Vielfalt des Stils. Hier gibt es Werke im Stil der früheren Tradition des double voluntary, Stücke von feierlich-polyphonem Charakter und Kompositionen, welche die Möglichkeiten unterschiedlich registrierter Manuale ausschöpfen.

Werke (teilweise summarisch)

Ausgaben (Auswahl)

Literatur (Auswahl)

Diskografie

Weblinks

Commons: John Blow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Bruce Wood, Watkins Shaw: Blow, John. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 3 (Bjelinski – Calzabigi). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2000, ISBN 3-7618-1113-6, Sp. 123–127 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  2. Marc Honegger, Günther Massenkeil: Das große Lexikon der Musik, Band 1, Herder, Freiburg im Breisgau 1978, ISBN 3-451-18051-0
  3. The New Grove Dictionary of Music and Musicians, hrsg. von Stanley Sadie, 2nd Edition, Band 3, McMillan Publishers, London 2001, ISBN 0-333-60800-3
  4. Hermann Josef Busch, Matthias Geuting (Hrsg.): Lexikon der Orgel, 2. Auflage, Laaber Verlag Laaber 2008, ISBN 978-3-89007-508-2
Normdaten (Person): GND: 119042983 | LCCN: n80166827 | VIAF: 76580506 |