Markus Tiedemann

Markus Tiedemann (* 1970 in Hamburg) ist ein deutscher Philosoph, Fachdidaktiker und Jugendbuchautor.

Leben

Tiedemann studierte Philosophie, Psychologie, Geschichte und Erziehungswissenschaft an der Universität Hagen und in Hamburg. Nach dem Studium arbeitete er zwölf Jahre als Lehrer und Fachseminarleiter an einer Gesamtschule und am Hamburger Institut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Zudem war er Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und promovierte bei Ekkehard Martens. Für seine Habilitation bei Urs Thurnherr wechselte er nach Karlsruhe. Er lehrte als Professor für Didaktik der Philosophie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, der Freien Universität Berlin und folgte dann einem Ruf an die Technische Universität Dresden. Zu seinen Arbeits- und Interessensschwerpunkten zählen Philosophiedidaktik, ethische Orientierung in der Moderne, Migrationsfragen, Philosophieren mit Kindern, empirische Bildungsforschung und Rechtsextremismus. Zusammen mit Volker Steenblock und Bettina Bussmann ist Tiedemann Vorsitzender des „Forums für Didaktik der Philosophie und Ethik“ innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Er ist Mitherausgeber der „Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik“. Schriften von Markus Tiedemann sind bisher in neun Sprachen übersetzt worden.

Philosophie und Philosophiedidaktik

Tiedemann versteht Philosophiedidaktik als eine theoretisch-konzeptionelle, eine methodisch-praktische und eine empirisch-kritische Wissenschaft. Konzeptionell vertritt Tiedemann eine problemorientierte Philosophiedidaktik, die er als Akzentuierung der Kulturtechnik-These von Ekkehard Martens versteht. Auf der methodisch-praktischen Ebene spricht sich Tiedemann für eine abwechslungsreiche Gestaltung des Philosophie- und Ethikunterrichts aus. Allerdings steht er einer Gleichberechtigung präsentativer und diskursiver Formen kritisch gegenüber und besteht darauf, die Essenz philosophischer Bildung als kategoriengeleitete, argumentative Rechtfertigung zu verstehen. Im Streit um den Einsatz empirischer Unterrichtsforschung innerhalb der Philosophiedidaktik vertrat Tiedemann eine vermittelnde Position, die sowohl Möglichkeiten als auch Grenzen betont. Er stimmt Volker Steenblock darin zu, dass zahlreiche philosophische Tugenden nicht evaluiert werden können. Zudem sei die Legitimation philosophischer Bildung jenseits empirischer Befunde. Gleichzeitig sollten aber bestehende Möglichkeiten genutzt werden, um Akzeptanz, Kompatibilität und Effizienz philosophischer Bildungsangebote zu erheben.

Mit dem Konzept der transzendentalen Toleranzerziehung reagiert Tiedemann auf das sogenannte „Werte-Vermittlungs-Dilemma“. In der Moderne könne ethische Orientierung nicht auf Letztbegründungen verweisen. Dies bedeute jedoch nicht, dass „anything goes“. Der Akt der Orientierung bestehe darin, bessere von schlechteren Begründungen nach dem Grad ihrer Kohärenz, ihrer Reziprozität, ihrer intersubjektiven Vermittelbarkeit und ihrer Einbeziehung des Anderen zu unterscheiden. Tiedemann spricht von einem bescheidenen oder selbstkritischen Universalismus bei dessen Ableitung er unter anderem auf Rainer Forst, Julian Nida-Rümelin, Jürgen Habermas, Ernst Tugendhat, Rawls und Kant verweist.

In seinen Forschungsschwerpunkten befasst sich Tiedemann u. a. mit dem Einfluss philosophischer Bildung auf De-Radikalisierungsprozesse, mit normativen Fragen der Migration, Synergieeffekten zwischen Erlebnispädagogik und philosophischer Bildung sowie rechtsradikaler Geschichtsverfälschung.

Im öffentlichen Raum hat Tiedemann wiederholt einen verbindlichen Philosophie- oder Ethikunterricht gefordert. Zudem war er an zahlreichen Debatten um Fragen der Religionskritik, der Migrationspolitik oder der Medizinethik beteiligt.

Den Fortbestand liberaler, nach Grundsätzen der Aufklärung organisierter Gesellschaften, sieht Tiedemann als existenziell bedroht an.

Schriften (Auswahl)

Fachphilosophie und Fachdidaktik

Philosophische Jugendliteratur und Belletristik

Herausgeber

Preise und Auszeichnungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Bergedorfer Zeitung, Dienstag, 22. Oktober 2013, Seite 7
  2. http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/iph TU Dresden
  3. Genese und Struktur der Philosophiedidaktik. In: Handbuch Philosophie und Ethik. Bd. I. Nida-Rümelin, Spiegel, Tiedemann (Hg.) UTB 2015.
  4. The Principle of a Problem-Based Approach and Its Consequences for Teaching Philosophy and “Ethic”. In: Analytic Teaching and Philosophical Praxis. Volume 33 (2012), pp: 54–64
  5. "Mal mir was!" - Ein Zwischenruf. In: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik, Heft 1/2011
  6. Philosophiedidaktik und empirische Bildungsforschung. Möglichkeiten und Grenzen. Münster 2011
  7. Philosophical Education and Transcendental Tolerance. In: Analytic Teaching and Philosophical Praxis, Vol. 39, No. 2, 2019.
  8. Orientierung ohne Letztbegründung. In: Tiedemann, Markus (Hg.): Migration, Menschenrechte und Rassismus. Herausforderungen für ethische Bildung. Schöningh, Paderborn 2020.
  9. Ethik ist wichtiger als Religion. In: Frankfurter Rundschau 12.07.2016; Urteilskraft Schulen. In: DIE ZEIT.09.06.2016.
  10. Zugeständnis. Warum das Beschneidungsgesetz der Bundesregierung theoretisch falsch ist und dennoch praktisch richtig sein kann. In: Frankfurter Rundschau, vom 11. Dezember 2012.
  11. Rassismus und Rassismus der Antirassisten. Im Fall Sarrazin pflegen Gegner und Befürworter naive Stereotypen und verfehlen darum das legitime Zentrum der Debatte. In: Frankfurter Rundschau, 03.09.2010.
  12. Was sollen wir tun? Die ethische Herausforderung der Triage. In: Frankfurter Rundschau 21.04.2020
  13. Post-Aufklärungs-Gesellschaft. Was wir verlieren und was uns bevorsteht. mentis. Paderborn 2023
Normdaten (Person): GND: 12364660X | LCCN: n97079566 | VIAF: 85533691 |