Redaktionsgeschichte

Der Begriff Redaktionsgeschichte (auch Redaktionskritik; zu lateinisch redactio „Überarbeitung“ und griechisch kritiké techne „Unterscheidungsvermögen“) als Teil der historisch-kritischen Methode bezüglich der Exegese biblischer Texte geht zurück auf Willi Marxsens im Jahre 1956 veröffentlichte Habilitationsschrift Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums.

Die Redaktionskritik fragt nach der theologischen Ausrichtung der Verfasser und ggfs. Redaktoren eines biblischen Textes. Sie untersucht die Konzepte, die Verfasser und Redaktoren bei der Auswahl ihrer Themen, ihrer Textvorlagen, der Bearbeitung dieser Vorlagen und der Formulierung ihrer Texte sowie der Komposition des Gesamtwerkes geleitet haben. Der Blick, der sich bei Text- und Formkritik auf Details konzentriert hat, weitet sich in der Redaktionskritik wieder auf den theologischen Zusammenhang, in dem und für den der Endredaktor schreibt, um dann einzelne Passagen wieder in diesem Kontext begreifen zu können.

Entstehung

Die redaktionsgeschichtliche Methode entstand seit den 1950er Jahren innerhalb der deutschsprachigen Exegese und wurde vor Marxsen ansatzweise bereits von Günther Bornkamm und Hans Conzelmann entwickelt, ohne dass jene den Begriff Redaktionsgeschichte explizit verwandt hätten. Insofern gilt Marxsen durch die Prägung dieses Begriffs und dessen Einführung in die Exegese auch international als der eigentliche Initiator dieser Methode. So wird beispielsweise in der französischen Exegese unübersetzt von La Redaktionsgeschichte gesprochen, analog ist der wissenschaftliche Sprachgebrauch im Englischen, Spanischen und Italienischen.

Das Anliegen redaktionsgeschichtlicher Forschung ist es insbesondere, die vorfindlichen biblischen Schriften auf das Wirken der Redaktoren zu untersuchen, die mit eigenen theologischen Positionen Texte oder Textsammlungen zusammengeführt, bearbeitet und dabei in ihrer Aussage verändert haben. Die alt- und neutestamentlichen Schriften sieht die Redaktionsgeschichte als Werke verschiedener Redaktoren an, die sie mit jeweils bestimmten theologischen Interessen komponiert haben.

Ansatzpunkte

Einige Ansatzpunkte für die redaktionsgeschichtliche Untersuchung:

Da die Redaktionsgeschichte die Kenntnis unterschiedlicher Traditionslinien voraussetzt, wird sie vorwiegend im Bereich der Evangelienexegese eingesetzt, wo die synoptische Überlieferung reiches Material bietet. Ihre Methodik lässt sich analog auf andere Texte anwenden, sofern mehrere Überlieferungslinien greifbar sind. Beispielhaft kann die Tradition der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichten genannt werden, in die auch die Auseinandersetzung mit babylonischem Gedankengut eingeflossen ist (→ Gilgamesch-Epos).

Weitere Vorgehensweise

Um methodisch die Redaktion an einem Text untersuchen zu können, müssen zuvor die Passagen erkannt und isoliert worden sein, die in einen existierenden Text nachträglich eingefügt wurden. Redaktionsgeschichte ist somit nur nach voraufgehender Literarkritik möglich. Darauf wies W. Richter hin („Exegese als Literaturwissenschaft“, 1971). Folglich sollte nicht allgemein und unpräzis von „Traditionen“ gesprochen werden, die nachträglich miteinander verbunden werden, sondern es geht präzise um „Texte“ bzw. Teile davon. Für jeden zuvor isolierten redaktionellen Beitrag kann via Stilistik sowohl die Technik des Einfügens wie auch die Motivation für den Eingriff erfasst werden.

Standard ist, dass ein redaktioneller Eingriff – vor allem in einen künstlerisch anspruchsvollen Text – dort die literarische Struktur (zer-)stört, widersprüchliche Informationen einträgt, für Irritationen sorgt. All das ist die Chance für Literarkritik, die redaktionellen Beiträge zu isolieren. – Nach umfangreichen Analysen an der Josefsgeschichte (Gen 37–50) hat Harald Schweizer folgende Motivationen von Redaktoren erhoben. Genannt wird je ein illustrierendes Textbeispiel. Es könnten aber meist mehrere genannt werden:

Siehe auch

Literatur

Einführungen

Klassiker

Methode

Einzelnachweise

  1. vgl. die Revision der Methode: http://www-ct.informatik.uni-tuebingen.de/daten/impuls.pdf
  2. vgl. dazu den Aufsatz http://www-ct.informatik.uni-tuebingen.de/daten/jgbn.pdf