Sauerteig

„Anstellgut“ eines Roggensauerteigs im Glas

Sauerteig ist ein Teig zur Herstellung von Backwaren, der meist dauerhaft durch Milchsäurebakterien und Hefen in Gärung gehalten wird. Das dabei entstehende Kohlenstoffdioxid lockert den Teig auf. Die typischen Arten von Milchsäurebakterien sind Lactobacillus plantarum (homofermentativ) und Lactobacillus brevis (heterofermentativ). Ein typischer Hefestamm im Sauerteig ist Saccharomyces cerevisiae.

Roggen-Sauerteigführung im Zeitraffer, 10 Stunden bei ca. 25,5 Grad Celsius Sehr lebendiger Sauerteig (Makrofoto)

Sauerteig wird als Triebmittel zur Lockerung von Backwerk zugefügt und macht Roggenteige überhaupt erst backfähig. Sauerteige verbessern Verdaulichkeit, Aroma, Geschmack, Haltbarkeit und Schnitt der Backwaren. Ebenso werden ernährungsphysiologische Eigenschaften verbessert.

Der Begriff Sauerteig kann sowohl den fertigen Brotteig bezeichnen als auch die aktive, teigförmige Zutat, die auch Anstellgut genannt wird.

Allgemeines

Sauerteige enthalten eine Lebensgemeinschaft von Milchsäurebakterien und Hefepilzen, die der Mensch seit mehreren tausend Jahren für die Herstellung von Getreidefladen, Brot und brotähnlichen Nahrungsmitteln nutzt. Die Stoffwechselprodukte dieser Mikroorganismen lockern den Teig und verbessern die Verdaulichkeit, das Aroma, den Geschmack und die Haltbarkeit der Backwaren. Eine besondere Bedeutung hat Sauerteig bei der Verwendung von Roggenmehl. Während für Weizenmehl auch reine Hefe als Triebmittel verwendet werden kann, ist bei der Verwendung von Roggenmehl die Zuführung von Säure erforderlich. Die Säure bremst die Wirkung mehleigener Enzyme, zum Beispiel der Proteasen, die das Gluten, also das Klebergerüst im Teig angreifen sowie der Amylasen, die die Stärke schädigen und somit die Wasseraufnahme des Teiges verringern. Ohne Säuerung würde das Roggenbrot kaum aufgehen und flach bleiben. Die Milchsäurebakterien des Sauerteigs produzieren diese in Form von Milchsäure und Essigsäure.

Während in der Vergangenheit Verfahren und Methoden zur preiswerten und effizienten Brotbereitung gesucht wurden, stehen heute die geschmacklichen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften von Backwaren aus Sauerteig im Vordergrund. Gerade Vollkornprodukte erhalten durch Sauerteig ein verbessertes Mundgefühl und einen besseren Geschmack, wobei nährwertbestimmende Substanzen erhalten bleiben.

Geschichte

Plinius der Ältere beschrieb um 79 n. Chr. die Gewinnung von Sauerteig durch die Vermischung von Weizenkleie mit drei Tage altem Traubenmost. Auch Verfahren der Spontansäuerung und die Weiterführung von Sauerteigen (Sauerteigführung) waren ihm bekannt.

In Deutschland lieferten im 15. und 16. Jahrhundert die Brauer und Schnapsbrenner den Bäckern die erste Hefe. In Frankreich war diese Technik lange umstritten, da die Bevölkerung eine Gesundheitsgefährdung durch dieses neue Lebensmittel fürchtete. Erst 1670 wurde die Verwendung von Bierhefe erlaubt, wobei sie vorher mit Sauerteig vermischt werden musste. In Europa wurden die ersten Hefezüchtungen um 1700 bekannt. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die fabrikmäßige Produktion von Hefe etabliert. Auftrieb brachten der Entwicklung der Bäckerhefe die Kühlmaschinen des Carl von Linde. Die Brauer stiegen nach 1877 von obergärigem auf untergäriges Bier um. Dies war nur durch Kühlung möglich, wobei aber keine brauchbare Hefe für die Bäckereien mehr anfiel. Zwangsweise wurde damit die Entwicklung spezieller Backhefen gefördert. Die Hefen der Brauer und Brenner waren von schlechter Qualität. Der Stamm Saccharomyces cerevisiae wurde gezielt selektiert und produziert, da mit dieser Hefe hervorragende Backergebnisse erzielt wurden.

Roggensauer wurde um 1900 erstmals durch Zitronensäure ersetzt, die Backergebnisse waren allerdings nicht optimal. Um 1920 empfahl man beim Roggenteig zur Vereinfachung der Brotbereitung den Zusatz von Säuren, was nach heutigem Erkenntnisstand sinnvoll war, denn damalige Mehle verfügten über einen hohen Enzymgehalt. Parallel dazu entwickelte man Sauerteigstarterkulturen und bot sie als „Reinzuchtsauer“ an. 1930 gelangten die ersten Fertigsauer auf den Markt. Sie bestanden aus Quellmehl und Gärungsmilchsäure. Ebenfalls um 1930 wurde getrockneter Sauerteig angeboten, der allerdings verfahrensbedingt nur einen geringen Säureanteil hatte. 1970 wurde der Trockensauer als „Sauerteig-Extrakt-Roggen“ auf den Markt gebracht.

Seitdem wurden zahlreiche weitere Verfahren und Backmittel entwickelt, um die bestehenden Sauerteigverfahren zu optimieren.

Arten des Sauerteigs

In der Regel wird Sauerteig aus Brotgetreidemehl (aus Weizen oder Roggen) hergestellt, es kann jedoch entweder teilweise oder ganz durch andere Getreidemahlerzeugnisse oder mehlähnliche Erzeugnisse ersetzt werden. Sehr weit verbreitet sind in Afrika Teff-Brot in Äthiopien und z. B. Laxoox in Somalia.

Weizensauer

Weizensauerbrot Roggenmischbrot aus Sauerteig

Weizensauer ist ein Teig aus Weizenmehl, Wasser, Hefen (überwiegend Saccharomyces cerevisiae) und oft einem geringen Anteil von Milchsäurebakterien (Lactobacillus plantarum, Lactobacillus brevis ssp. lindneri). Einige traditionelle Gebäcke mit Weizensauerteig sind Ciabatta, Panettone oder der Hermann-Teig.

Roggensauerteig geht im Gärkörbchen (Zeitraffer)

Roggensauer

Roggensauer ist ein Gemisch aus Roggenmehl, Wasser und Milchsäurebakterien (Lactobacillus plantarum, Lactobacillus fructivorans und Lactobacillus brevis) und meistens Hefen (Saccharomyces cerevisiae). Nicht alle Roggensauerteige enthalten ausreichend Hefen für die Lockerung. Deswegen werden oft Sauerteighefen (säurefeste und triebkräftige Hefen) zugesetzt.

Haltbare Produkte

Krümelsauer

Mit viel Mehl zu trockenen Krümeln verarbeiteter Sauerteig wird als Krümelsauer (auch Gerstl) bezeichnet und dient der Aufbewahrung.

Trockensauer

Dazu gehören auch Sauerteigkonzentrate. Solche Konzentrate werden häufig unter der Bezeichnung Backferment vertrieben. Sie werden hergestellt, indem ein Sauerteig aus Weizenmehl, gelber Saaterbse und Honig schonend getrocknet wird. Diese Sauerteigform eignet sich gut für Privathaushalte, da keine aufwendige Sauerteigführung notwendig ist, der Teig aber nach Wasserzugabe gäraktiv ist und Hefen und Milchsäurebakterien enthält und zur Herstellung von Brot aus Brotgetreidesorten und Nichtbrotgetreidesorten geeignet ist.

Wirkungen des Sauerteigs

Geschmack und Aroma

Sauerteigbrote enthalten viele Geruchs- und Geschmacksstoffe. Es sind über 300 Aromastoffe bekannt, wobei aber nur wenige aroma- und geschmacksbestimmend sind. Viele der beteiligten Substanzen sind bereits im Mehl vorhanden, ergeben aber einen schwachen Aromaeindruck. Durch Gärung und Bildung von Estern (aus Ethanol und Säuren) im Sauerteig werden diese Aromastoffe kräftig ausgebildet. Tragende Aromaverbindungen wie Methylbutanol und Diacetyl nehmen in der Konzentration zu, aber es werden auch unerwünschte Aromen reduziert; so wird z. B. der grasige Aromastoff Hexanal im Sauerteig abgebaut. Die homofermentativen Lactobazillen im Sauerteig wandeln vorwiegend Hexosen in Milchsäure um, während die heterogenen Milchsäurebakterien Essigsäure, Ethanol, Kohlendioxid und Ester produzieren. Außerdem setzen die Milchsäurebakterien Aromavorläuferstoffe als freie Aminosäuren frei, welche später in Aldehyde und entsprechende Alkohole umgewandelt werden. Die natürlichen Hefen des Sauerteiges sorgen hauptsächlich für die Bildung von Ethanol, Aldehyden, Iso-Alkoholen und Ethylacetat.

Volumen, Textur und Porung

Durch Sauerteig wird das spezifische Volumen erhöht. Die Porung der Krume ist feiner. Daneben zeichnet eine höhere Feuchte und Elastizität eine Sauerteigführung aus, wodurch das Gebäck schnittfester wird. Beim Verzehr ist das Mundgefühl angenehmer, da alle Fraktionen des Mehles besser aufgeschlossen werden: ein Effekt, der besonders bei Vollkornprodukten wirkt. Roggenbrote können durch die Absenkung des pH-Wertes besser gekaut werden. Beim Kauen haftet die ungesäuerte Krume an den Zähnen, bewirkt ein unangenehmes Mundgefühl; mit fallendem pH-Wert nimmt die Elastizität der Krume zu.

Verarbeitungseigenschaften

Frischhaltung

Das Altbackenwerden ist komplex und noch nicht vollständig erforscht. Das Brot verliert Aroma und Mundgefühl, es wird härter und spröder; die Stärke gibt Feuchtigkeit ab und geht in einen kristallinen Zustand über. Die Feuchtigkeit wandert von der Krume zur Kruste, wo sie austritt. Bisher ist nur sicher, dass die Bildung von Exopolysacchariden, die bei der Sauerteigfermentation durch Milchsäurebakterien entstehen, darauf wesentlichen Einfluss hat.

Lagerfähigkeit

Sauerteiggeführte Brote schimmeln langsamer als nicht gesäuerte oder chemisch gesäuerte Brote. Ursachen und Wirkung sind vielfältig. Gesäuerte Brote sind weniger anfällig gegen:

Gewinnung

Sauerteig durch spontane Säuerung

Dieses Verfahren ist recht alt und sicher. Es wird auch heute noch angewendet, um das sogenannte Anstellgut als Grundlage für den Sauerteig zu ziehen.

Milchsäurebakterien kommen überall vor. Sie sind im Mehl und im Wasser zu finden. Daher kann ein Sauerteig dadurch hergestellt werden, dass man je die gleiche Menge (Roggen-)Mehl und Wasser miteinander vermengt und zugedeckt bei Zimmertemperatur ca. zwei Tage stehen lässt. Riecht der Teig dann angenehm säuerlich, oftmals mit einer Fruchtnote, kann man davon ausgehen, dass sich die Milchsäurebakterien durchgesetzt haben. Riecht der Ansatz jedoch nach faulen Eiern, so muss man davon ausgehen, dass sich Fäulnisbakterien durchgesetzt haben.

Das Ergebnis ist jedoch stark vom Zustand der Rohstoffe abhängig. Wesentlich beeinflussen die Lagerung der Rohstoffe (Temperatur, Feuchtigkeit) sowie der Befall von Schädlingen die Anzahl und Arten der Mikroorganismen. Damit sich eine bestimmte Art von Bakterien oder Hefen sicher entwickeln kann, müssen genügend Keime dieser Art vorhanden sein. Erfolg und Qualität hängen stark vom Zufall ab. Es ist ein Verdrängungswettbewerb, der darüber entscheidet, welche Kulturen sich entwickeln.

Biologie und Chemie des Sauerteigs

Sauerteig ist eine stabile symbiotische Kultur von Milchsäurebakterien und Hefen in einem Teig von Mehl und Wasser. Milchsäurebakterien verwandeln Zucker, die die Hefen nicht abbauen können, und auf der anderen Seite verstoffwechseln Hefen Produkte der Milchsäurefermentation. Generell kann man sagen, dass die Hefen das Gas produzieren, das den Teig aufgehen lässt, und die Milchsäurebakterien die Milchsäure produzieren, die für den säuerlichen Geschmack und die Enzymhemmung verantwortlich ist. Milchsäurebakterien arbeiten anaerob, d. h., sie können sich bei Abwesenheit von Sauerstoff vermehren. Hammes und Vogel haben 1995 drei unterschiedliche Stoffwechselgruppen von Milchsäurebakterien unterschieden:

Die Milchsäurebakterien zersetzen einen Teil der Zuckerstoffe im Mehl zu Milchsäure, zu Essigsäure und einen geringen Anteil Kohlendioxid. Die Hefen bilden Kohlendioxid sowie kleine Mengen Alkohol (Ethanol). Der Alkohol wird von den Essigsäurebakterien in Essigsäure umgewandelt. Durch verschiedene Bedingungen (Gärungszeit, Mischungsverhältnis, Temperatur) kann Einfluss auf die Anteile der einzelnen Gärungsprodukte und somit auf Eigenschaften (Wirkung) und Geschmack des Sauerteigs genommen werden. Durch Temperatursteuerung kann erreicht werden, dass im Teig mehr Essigsäure (24–28 °C) gebildet wird, also das Brot saurer schmeckt. Milchsäure ist geschmacklich milder. Soll also mehr Milchsäure gebildet werden, so muss der Teig bei ca. 30 °C geführt werden. Im fertigen Sauerteig herrschen pH-Werte zwischen 3,8 und 4,3. Der bei der Gärung gebildete Alkohol verbindet sich zum Teil mit Säuren im Teig zu Estern, die zu Geruch und Geschmack des Gebäcks beitragen. Ein anderer Teil wird zu Essigsäure umgewandelt. Das Verhältnis von Milchsäure zu Essigsäure im Teig sollte zwischen 3:1 bis 4:1 liegen. Wird das Verhältnis in Richtung Essigsäure verschoben, so wird der Geschmack meist als zu sauer empfunden.

Starterkulturen

Starterkulturen sind die Grundlage eines standardisierten Sauerteigs. In der Produktion wird ein Mehl-Wasser-Gemisch gezielt mit bestimmten Kulturen geimpft, woraus sich ein Sauerteig entwickelt. Auch hier wird ein Rest Anstellgut für den nächsten Sauerteig aufgehoben. In bestimmten Zeitabständen wird der Sauerteig oft vollkommen neu mit Reinzuchtsauer angesetzt, wobei andere Produzenten wiederum auf eigene, bewährte, jahrelang stabile Kulturen setzen.

Einteilung der Starterkulturen für Standardsauerteige Kulturen

Starterkulturen werden für folgende Getreidearten angeboten:

Ohne Bedeutung ist die Art des Getreides für die Entwicklung der gewünschten Mikroorganismen. Wichtiger ist die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen, wobei dunkle Mehle deutlich besser abschneiden.

Die Randschichten der Roggen- und Weizenkörner enthalten Phytinsäure, welche die Entwicklung des jungen Getreidekorns fördert und vor Fressfeinden schützt. Dunkle Mehle enthalten viel Phytinsäure, während der Anteil zu hellen Mehlen abnimmt und bei Auszugsmehl unbedeutend ist. Phytinsäure gilt als antinutritiv: Sie bindet Mineralstoffe (Ca, Mn, Mg, Fe) durch Eiweißkomplexe (Phytate), wodurch die Resorption im Darm erschwert oder vermindert wird. Grundsätzlich ist Phytin im Brot für den menschlichen Organismus unbedeutend, da es thermisch nicht stabil ist; jedoch bleiben darin Mineralien gebunden. Im Sauerteig – durch den niedrigen pH-Wert – bauen getreideeigene Enzyme Phytat ab.

Sauerteigführungen

Hauptartikel: Sauerteigführung

Als Führung bezeichnet man die Herstellung eines Sauerteiges über ein oder mehrere Stufen unterschiedlicher Temperatur, wobei versucht wird, ein dem gewünschten Produkt entsprechendes Verhältnis der Mikroorganismen (Hefen und Milchsäurebakterien) zu erreichen.

Anstellgut vom reifen Sauerteig

Wird ein reifer Sauerteig nicht vollständig verbraucht, kann der Rest als Anstellgut erneuert werden. Dazu werden Mehl und Wasser zugegeben. Da unter Umständen die Säurebildung nicht mehr zufriedenstellend ist, können sich unerwünschte Mikroorganismen im Teig vermehren. Mögliche Folgen:

Um dies zu vermeiden, sollte regelmäßig ein Reinzuchtsauer als Ansatz verwendet werden.

Sauerteigfehler und ihre Ursachen

Durch Fehler bei der Sauerteigmenge und -reife kann es zu typischen Brotfehlern kommen:

Ursache Fehler im Teig Brotfehler
Junger, unreifer Sauerteig
oder zu wenig Sauerteig
• zu geringe Säuremenge
• schwache Triebkraft im Teig
– flaches, kleines Brot
– feuchte, unelastische Krume
– Wasserstreifen
– fader Geschmack
Alter Sauerteig oder
Zu große Sauerteigmenge
• Übersäuerung des Brotteiges
• schwacher Hefetrieb
• starker Trieb durch Milchsäurebakterien
– große, ungleichmäßige Porung
– feuchte, unelastische Krume
– Geschmack ist zu sauer
Zu kalter Sauerteig – große, ungleichmäßige Porung
– starke Hohlraumbildung in der Krume
– fader Geschmack
Übergare – flaches Brot
– grobe Porung
Geschwächter Sauerteig oder
Sauerteig mit Fehlgärung
– Hohlraum zwischen Oberkruste und Krume
– fader, fremdartiger oder extrem saurer Geschmack

Allgemeine Verkehrsauffassung von Sauerteig

Mit der Bezeichnung Sauerteig verbindet der Verbraucher ein Produkt mit hoher Qualität und natürlichem Ursprung. Verschiedene Länder haben daher Richtlinien und Produktbeschreibungen zum Schutz des Verbrauchers erlassen:

Deutschland

Im Deutschen Lebensmittelbuch werden Leitsätze (§ 15 LFGB) über die geltende Verkehrsauffassung für viele Lebensmittel beschrieben. Diese Leitsätze wurden von Verbrauchern, Wissenschaftlern, Wirtschaft, Lebensmittelüberwachung und Behörden erarbeitet und fortgeführt. Leitsätze sind aber keine Rechtssätze. Man könnte sie als vorweggenommenes Sachverständigengutachten bezeichnen. Produkte können von diesen Leitsätzen abweichen und bei entsprechender Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden.

Definition von 2006 (Auszug):

In den Leitsätzen wird auch Sauerteigbrot definiert:

Österreich

Den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches, entspricht in Österreich der „Codex Alimentarius Austriacus“. Auszüge:

Kapitel/B 18/Backerzeugnisse: Backhefe, Sauerteig, Backpulver, Triebmittel für besondere Zwecke:

„Sauerteig ist ein aus Mahl- und Schälprodukten, Anstellgut und Trinkwasser, gegebenenfalls unter Zusatz von Restbrot, vorwiegend durch milchsaure Gärung hergestellter Teig. Wird als Anstellgut eine Starterkultur von säurebildenden Bakterien und/oder Sauerteighefen (Reinzucht, Reinkultur) verwendet, wird der Sauerteig als „Reinzuchtsauer(teig)“ bezeichnet.“

„„Natursauerteig“ wird nur ein Sauerteig genannt, der mit Anstellgut, welches durch Abnahme vom reifen Sauerteig gewonnen wurde, hergestellt wird. Wenn der reife Sauerteig ursprünglich ein Reinzuchtsauer(teig) ist, dann muss Anstellgut mehrmals hintereinander abgenommen worden sein, damit die Bezeichnung „Natursauerteig“ zulässig ist.“

In Österreich wird also Natursauer recht eng definiert. Seine Verwendung wird bei der Herstellung von Land- und Bauernbrot (Codexkapitel B18) gefordert.

Schweiz

Im Kap. 16 des Schweizerischen Lebensmittelbuches wird Sauerteig definiert (Auszug):

Frankreich

Am 13. September 1993 trat das Dekret No. 93 – 1074 zum Schutz der Brotsorten: Pain Maison, Pain de Tradition Française und Pain au levain in Kraft. Auszüge:

Kulturelle Verbreitung

Christentum

Praxis

In der religiösen Praxis des Christentums spielt Sauerteig keine bedeutende Rolle. Die Hostien für die Eucharistie werden seit Alters her bei den Armeniern und seit dem 11. Jahrhundert in der westlichen Kirche zwar aus ungesäuertem Weizenteig hergestellt, aber diese Tradition hat keine religiöse Verbindlichkeit. In den Ostkirchen wird stets gesäuertes Brot verwendet.

Symbolgehalt

Sauerteig hat in den Schriften des Neuen Testaments eine andere Bedeutung als im Judentum: Der Sauerteig ist Sinnbild einer Dynamik, deren Qualität jeweils von der des Impulses bestimmt wird.

Das bedeutendste positive Bild ist das Gleichnis vom Sauerteig (Mt 13,33  par. Lukas 13,20–21 ), in dem das Reich Gottes als ein Geschehen beschrieben wird, das wie ein Sauerteig stetig und unaufhaltsam Veränderung schafft, auch wenn der Anfang klein erscheint.

Als negativ gewertetes Beispiel gilt die Dynamik, die von den Pharisäern, Sadduzäern (Mt 16,6 ) und von Herodes (Mk 8,15 ) ausgeht.

In 1 Kor 5,6ff  schreibt Paulus, dass die Gläubigen sich von den abgelegten Lehren und Lebensweisen reinigen sollen, wie man ein Haus für Pessach vom alten Sauerteig reinigt, damit sie als ungesäuerter Teig die neue Lebensweise annehmen können:

„Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit!“

1 Kor 5,8 

Judentum

Im Judentum gibt es insbesondere zum Pessach umfangreiche Vorschriften und Bräuche für den Umgang mit Chametz. Ungesäuertes Brot wie Matze gehört zur Jüdischen Küche.

Literatur

Weblinks

Wiktionary: Sauerteig – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen Commons: Sauerteigbrote – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b W.P. Hammes, R.F. Vogel: The Genera of lactic acid bacteria. Hrsg.: W. H. Holzapfel, Brian J. B. Wood. Blackie Academic & Professional, London 1995, ISBN 0-7514-0215-X, S. 19–35 (google.com ). 
  2. a b c d e f g h i Ternes, Täufel, Tunger, Zobel: Lebensmittel-Lexikon. Behr’s Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-89947-165-2
  3. Plinius der Ältere, Naturalis historia 18,26 (deutsche Übersetzung).
  4. a b c d e f g h Josef Loderbauer: Das Bäckerbuch in Lernfeldern. Verlag Handwerk und Technik, Hamburg 2008, ISBN 978-3-582-40205-9
  5. Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Bd. 2. Leipzig 1796, S. 1804–1805. (Krümelsauer, der)
  6. https://www.brotexperte.de/brotherstellung/sauerteig/
  7. Klaus J. Lorenz, Karel Kulp: Handbook of dough fermentations. Marcel Dekker, New York 2003, ISBN 0-8247-4264-8, S. 23–50 (google.com ). 
  8. Lactic Acid Fermentation in Sourdough
  9. Hammes und andere haben Lactobacillus sanfranciscensis phylogenetisch neu zu L. Buchneri zugeordnet, Dellaglio und Felis ordnen es L. fructivorans zu. Taxonomy of Lactobacilli and Bifidobacteria (PDF; 428 kB)
  10. Belitz, Grosch, Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. Springer, Berlin/Heidelberg 2007, ISBN 3-540-73201-2.
  11. Leitsätze Brot. (PDF; 41,4 kB) 19. September 2005, abgerufen am 11. September 2020. 
  12. Österreichisches Lebensmittelbuch, IV. Auflage, Kapitel / B 18 / Backerzeugnisse
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4051816-4