Wolfgang Schadewaldt

Wolfgang Otto Bernhard Schadewaldt (* 15. März 1900 in Deutsch-Wilmersdorf; † 10. November 1974 in Tübingen) war ein deutscher Literaturwissenschaftler, Altphilologe und Übersetzer. Als Ordinarius an der Universität Tübingen hatte er den Lehrstuhl für Klassische Philologie (Gräzistik) und Fortleben der Antike inne.

Leben

Der Sohn des Arztes Otto Schadewaldt (1843–1899) wollte ursprünglich Bildhauer werden, studierte aber ab 1919 in Berlin Klassische Philologie, Archäologie und Germanistik bei Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und Werner Jaeger. Nach Promotion (1924) und Habilitation (1927) war Schadewaldt ab 1927 Dozent an der Friedrich-Wilhelms-Universität. 1928 wurde er als Professor an die Universität Königsberg berufen und wechselte 1929 an die Universität Freiburg, wo er 1933 unter dem Einfluss Martin Heideggers, mit dem er auch befreundet war, vorübergehend dessen Rektorat und die nationalsozialistisch orientierte Hochschulpolitik als Dekan unterstützte. Er erklärte aber bereits im Frühjahr 1934 seinen Rücktritt als Dekan und wechselte als Nachfolger Erich Bethes im Herbst an die Universität Leipzig. Schadewaldt war Mitherausgeber der philologischen Fachzeitschrift Hermes von 1933 bis 1944 und der Zeitschrift Die Antike, die einem breiteren Publikum die Erkenntnisse über die Antike nahebringen sollte, von 1937 bis 1944. 1941 ging er zurück an die Berliner Universität, wo er den Lehrstuhl für klassische Philologie innehatte. Seit 1942 stand Schadewaldt als Mitglied der Mittwochsgesellschaft in Verbindung mit Männern des Widerstandes.

1942 wurde er in die Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin aufgenommen. In der Akademie hatte Schadewaldt bis 1950 folgende Funktionen: Er war Mitglied des Instituts für Griechisch-Römische Altertumskunde und leitete dort die Unternehmen Polybios-Lexikon, die Inscriptiones Graecae sowie das Corpus Medicorum Graecorum; außerdem war er in der Akademie Mitglied der Deutschen Kommission und des Goethe-Wörterbuchs, dessen Initiator und Herausgeber er war, und der Kommission für spätantike Religionsgeschichte.

Ab 1950 und noch bis 1972 lehrte er an der Universität Tübingen, obwohl er seit 1968 emeritiert war.

Schadewaldt fand seine letzte Ruhestätte auf dem Tübinger Bergfriedhof. Eine seiner Töchter ist die Ägyptologin Dorothea Arnold.

Wissenschaft

Wolfgang Schadewaldt gilt als einer der bedeutendsten deutschen Altphilologen und wirkungsvollsten Vermittler antiker griechischer Literatur im 20. Jahrhundert. Egil A. Wyller bezeichnete ihn als „Meister derer, die da wissen.“ In seinen Werken beschäftigte sich Schadewaldt mit allen Gattungen der altgriechischen Dichtung, dem Epos, der Lyrik, dem Drama und daneben auch mit der Philosophie und der Geschichtsschreibung. Schadewaldt markierte einen Höhepunkt in der Homerforschung. Außer in zahlreichen Einzelwerken liegen seine Analysen zu all diesen Themenfeldern gesammelt vor in der auf sechs Bände angelegten Ausgabe seiner Tübinger Vorlesungen, die er zwischen 1950 und 1972 hielt.

Bedeutend ist der Kreis der Schüler Schadewaldts, zu dem die ersten Vertreter der Tübinger Platonschule zählten. Diese international bekannte Richtung der Platon-Interpretation wurde von Schadewaldts Schülern Hans Joachim Krämer und Konrad Gaiser begründet und später von Gaisers Nachfolger Thomas A. Szlezák weitergeführt. Zu den Schülern Schadewaldts zählen auch Wolfgang Kullmann und Hellmut Flashar, die in Berlin bei ihm studierten, sowie der Althistoriker Alexander Demandt.

Übersetzungen

Einer breiteren Öffentlichkeit ist Schadewaldt bekannt als Übersetzer von Homers Ilias und Odyssee, die, neben den Übertragungen von Johann Heinrich Voß, als die besten Übersetzungen beider Epen ins Deutsche angesehen werden. Im Unterschied zu Voß verzichtete Schadewaldt bei seiner Übersetzung auf den Hexameter, was er wie folgt begründete:

„Das Griechische in der alten Sprache des Epos, hat eine große Anzahl sehr langer Wörter, die schon im späteren Griechisch, vor allem aber im Deutschen, viel kürzere Wörter neben sich haben. (…) Der deutsche Übersetzer des Hexameters ist deswegen in der Regel früher mit dem Vers fertig und genötigt, um den Vers auf die gleiche Länge wie im Griechischen zu bringen, ihn zu zerdehnen und zu strecken. Entweder muß er im Deutschen Füllsel hinzufügen, die nicht dastehen, oder sich auf andere Weise helfen.“

Schadewaldt übertrug die Odyssee (1957) in Prosa, seine 1975 posthum erschienene Übersetzung der Ilias hingegen benutzt freie Rhythmen. Durch den Verzicht auf die strenge Form des Hexameters gelang es Schadewaldt, dem Wortsinn Homers, der Satzstellung und auch der Lakonik des Originals sehr nahe zu kommen. Neben den Werken Homers übersetzte Schadewaldt u. a. auch Dramen von Aischylos, Sophokles sowie die Carmina Burana. Die herausragende Übersetzungsleistung verband Schadewaldt mit dem Theatermacher Hansgünther Heyme, der die Aufführung der Werke in Köln realisierte.

Mitgliedschaften und Ehrungen

Schriften

Herausgeber (Auswahl)

Monografien

Übersetzungen (Auswahl)

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Geburtsregister Standesamt Deutsch-Wilmersdorf, Nr. 185/1900
  2. Fred Oberhauser, Axel Kahrs: Literarischer Führer Deutschland, Insel Verlag, 2008.
  3. Egil A. Wyller: Der späte Platon, Meiner, Hamburg 1970, S. VII
  4. Homer: Ilias, Übertragung von Wolfgang Schadewaldt, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1975, S. 425
  5. Deutsche Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1946–1949. Akademie-Verlag, Berlin 1950, S. 11
Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie an der Albertus-Universität Königsberg

Erster Lehrstuhl: Samuel Gottlieb Wald (1786–1806) | Carl Erfurdt (1810–1813) | Christian August Lobeck (1814–1857) | Ludwig Friedländer (1858–1892) | Ludwig Jeep (1893–1910)

Zweiter Lehrstuhl: Karl Lehrs (1845–1878) | Arthur Ludwich (1878–1912) | Ludwig Deubner (1912–1917) | Ludolf Malten (1919/1920–1922) | Johannes Mewaldt (1923–1927) | Richard Harder (1927–1930) | Paul Maas (1930–1934) | Walter F. Otto (1934–1945)

Dritter Lehrstuhl: Henri Jordan (1867–1886) | Alfred Schöne (1887–1892) | Johannes Schmidt (1892–1894) | August Brinkmann (1896/1900–1902) | Richard Heinze (1903–1906) | Richard Wünsch (1907–1913) | Otto Immisch (1913–1914) | Karl Meister (1916–1921) | Ernst Bickel (1921–1928) | Wolfgang Schadewaldt (1928–1929) | Harald Fuchs (1929–1932) | Willy Theiler (1932–1944) | Werner Hartke (1944–1945)

Extraordinariat: Ludwig Jeep (1886–1893) | August Brinkmann (1896–1900) | Hermann Schöne (1903–1906) | Ludwig Deubner (1906–1912) | Christian Jensen (1912–1913) | Hermann Mutschmann (1913–1918) | Ludolf Malten (1919–1920)

Siegel der Universität Freiburg Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie an der Universität Freiburg

Erstes Ordinariat: Karl Zell (1821–1836) | Joseph Anselm Feuerbach (1836–1851) | Theodor Bergk (1852–1857) | Johannes Vahlen (1858) | Franz Bücheler (1858–1866) | Wilhelm Brambach (1866–1872) | Otto Keller (1872–1875) | Otto Hense (1876–1909) | Eduard Schwartz (1909–1913) | Otto Immisch (1914–1930) | Eduard Fraenkel (1931–1933) | Hans Oppermann (1935–1941) | Karl Büchner (1943–1976) | Eckard Lefèvre (1977–2003) | Therese Fuhrer (2004–2008) | Wolfgang Kofler (2009–2012) | Stefan Tilg (seit 2014)

Zweites Ordinariat: Anton Baumstark (1836–1872) | Bernhard Schmidt (1872–1911) | Richard Reitzenstein (1911–1914) | Alfred Körte (1914–1917) | Ludwig Deubner (1917–1927) | Rudolf Pfeiffer (1927–1929) | Wolfgang Schadewaldt (1929–1934) | Hans Bogner (1936–1941) | Hermann Gundert (1944–1974) | Wolfgang Kullmann (1975–1996) | Bernhard Zimmermann (seit 1997)

Siehe auch: Liste der Klassischen Philologen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Siegel der Universität Leipzig Inhaber der Lehrstühle für Klassische Philologie an der Universität Leipzig

Erster Lehrstuhl (ab 1985 Gräzistik): Johann Friedrich Christ (1739–1756) | Johann August Ernesti (1756–1770) | August Wilhelm Ernesti (1770–1801) | Gottfried Hermann (1803–1848) | Reinhold Klotz (1849–1870) | Ludwig Lange (1871–1885) | Curt Wachsmuth (1886–1905) | Erich Bethe (1906–1931) | Jürgen Werner (1985–1996) | Kurt Sier (1996–2021) | Oliver Schelske (seit 2023)

Zweiter Lehrstuhl (seit 1974 Latinistik): Friedrich Wolfgang Reiz (1782–1785) | Christian Daniel Beck (1785–1819) | Friedrich August Wilhelm Spohn (1819–1824) | Christian Daniel Beck (1825–1832) | Anton Westermann (1834–1865) | Friedrich Ritschl (1865–1876) | Otto Ribbeck (1877–1898) | Friedrich Marx (1899–1906) | Richard Heinze (1906–1929) | Friedrich Klingner (1930–1947) | Franz Dornseiff (1948–1960) | Walter Hofmann (1974–1990) | Ekkehard Stärk (1992–2001) | Marcus Deufert (seit 2003)

Dritter Lehrstuhl: Otto Jahn (1847–1850) | Gregor Wilhelm Nitzsch (1852–1861) | Georg Curtius (1862–1885) | Erwin Rohde (1886)

Vierter Lehrstuhl: Justus Hermann Lipsius (1877–1914) | Bruno Keil (1914–1916) | Alfred Körte (1917–1934) | Wolfgang Schadewaldt (1934–1941) | Karl Reinhardt (1942–1946)

Logo der Universität Tübingen Inhaber der Lehrstühle für Klassische Philologie an der Universität Tübingen

Erster Lehrstuhl: David Christoph Seybold (1796–1804) | Karl Philipp Conz (1804–1827) | Gottlieb Lukas Friedrich Tafel (1827–1846) | Albert Schwegler (1847–1857) | Karl Hirzel (1857–1874) | Ernst von Herzog (1874–1902) | Gotthold Gundermann (1902–1921) | Otto Weinreich (1921–1954) | Hildebrecht Hommel (1955–1964) | Günther Wille (1965–1991) | Heinz Hofmann (1993–2009) | Anja Wolkenhauer (seit 2010)

Zweiter Lehrstuhl: Ernst Christian von Walz (1832–1857) | Wilhelm Siegmund Teuffel (1857–1878) | Erwin Rohde (1878–1886) | Otto Crusius (1886–1898) | Wilhelm Schmid (1898–1926) | Johannes Mewaldt (1927–1931) | Hans Herter (1932–1938) | Friedrich Focke (1939–1946) | Wolfgang Schadewaldt (1950–1968) | Konrad Gaiser (1968–1988) | Thomas A. Szlezák (1990–2006) | Irmgard Männlein-Robert (seit 2006)

Außerordentliche Professur: Rudolf Herzog (1903–1909) | Adolf von Mess (1909–1916) | Otto Weinreich (1916–1918) | Friedrich Zucker (1918) | Friedrich Pfister (1918–1924) | Friedrich Focke (1925–1939)

Dritter Lehrstuhl: Ernst Zinn (1956–1978) | Ernst A. Schmidt (1979–2002)

Vierter Lehrstuhl: Konrad Müller (1963–1964) | Hartmut Erbse (1965–1968) | Richard Kannicht (1969–1997)

Fünfter Lehrstuhl: Hubert Cancik (1974–2003) | Jürgen Leonhardt (2004-2010) | Robert Kirstein (seit 2011, ab 2018 als Ordinarius)

Normdaten (Person): GND: 118748173 | LCCN: n50017208 | VIAF: 64018851 |