Antitrinitarier

Antitrinitarier oder Nichttrinitarier (gr. αντί anti ‚gegen‘ und lat. trinitas ‚Trinität, Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit‘) sind Christen, die nach ihrem Gottesverständnis das Dogma der Trinität Gottes, das auf dem Konzil von Nicäa (325) verabschiedet wurde, nicht anerkennen oder als Irrlehre zurückweisen.

Es lassen sich mehrere Formen des Antitrinitarismus unterscheiden, wie der Modalismus, der den Vater und Jesus miteinander identifiziert, oder der Adoptionismus, dem zufolge Jesus und Gott nicht wesensgleich sind. Letztere Position kann den Arianern und in der Neuzeit den Unitariern zugeschrieben werden. Beide Ansichten sind aus trinitarischer Perspektive Irrlehren. Und auch der Islam kann als antitrinitarische Lehre bezeichnet werden; im Koran wird die Idee der Dreifaltigkeit ausdrücklich verworfen. Auch Messianische Juden lehnen mehrheitlich die Trinität ab. Anders formuliert, es ist vor allem die Trinitätslehre, die es orthodoxen Juden verunmöglicht, Jesus als Messias anzuerkennen.

Theologische Argumente

Viele Argumente gegen die Trinität wurden bereits im 4. Jahrhundert von den Arianern vorgebracht, sie sind jedoch hauptsächlich als Zitate in den Texten ihrer Gegner erhalten. Arius (260–330), nach dem diese theologische Schule benannt ist, sah den Sohn als von Gott geschaffen an. Dabei argumentierte er mehr philosophisch als biblisch, indem er darauf verwies, dass die Trinität dem aristotelischen Syllogismus widersprach und daher unlogisch sei. Er wollte darum in erster Linie an der Einheit und Einzigkeit Gottes festhalten. In der Bibel berief er sich vor allem auf das Buch der Sprichwörter 8,22:

„2 am Zugang zu den Häusern ruft sie laut: 4  meine Stimme ergeht an alle Menschen: 5  werdet klug, nehmt Vernunft an! 12 Ich, die Weisheit, entdecke Erkenntnis und guten Rat. 14  ich bin die Einsicht, bei mir ist Macht. 16 durch mich versehen die Herrscher ihr Amt 18 Reichtum und Ehre sind bei mir, angesehener Besitz und Glück; 19 meine Frucht ist besser als Gold und Feingold 22 Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit; 23 in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. 24 Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen. 25 Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. 26 Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands.“

Spr 8,22 

Die personifizierte Weisheit sagt an dieser Stelle über sich selbst, sie sei von Gott noch vor den Werken der Urzeit geboren worden. Arius deutete die Weisheit als alttestamentlichen Ausdruck Jesu Christi.

Heute gründen sich nichttrinitarische Positionen vielfach darauf, dass die Bibel an keiner Stelle des Alten oder Neuen Testaments einen dreieinigen Gott erwähnt:

Geschichte

Antike

→ Hauptartikel: Arianischer Streit

Bereits in der Antike war die Trinität Gegenstand zahlreicher inner-kirchlicher Debatten. Insbesondere die Vertreter des Arianismus lehnten die Trinitätslehre ab. Der Arianismus starb jedoch im 8. Jahrhundert aus.

Neuzeit

→ Hauptartikel: Unitarismus

Erst vor dem Hintergrund des Humanismus und der Reformation entstanden abermals antitrinitarische Gemeinschaften. Herausragender Repräsentant der Antitrinitarier war Michael Servetus, der 1553 anlässlich einer Reise in Genf festgenommen wurde. Wegen seiner Verwerfung der Trinitätslehre in seinem Buch „De trinitatis erroribus“ von katholischen und evangelischen Theologen als Häretiker angeklagt, wurde er in Genf auf Betreiben des Stadtrates lebendig verbrannt. Auch in der reformatorischen Täuferbewegung gab es antitrinitarische Tendenzen. Als Beispiel sei der mennonitische Prediger Adam Pastor genannt. Die große Mehrheit der Täufer war jedoch trinitarisch. In Italien wurden Antitrinitarier ebenso wie Protestanten von der Inquisition verfolgt. Die Verfolgten wichen oft nach Osteuropa aus, wie der Arzt Giorgio Biandrata († 1585) nach Siebenbürgen, wo er später trotz Sozzinis Vermittlungsversuchen den radikalen Antitrinitarier Franz Davidis wegen Ketzerei anklagte. Einflussreich war auch Fausto Sozzini († 1604), der die Bewegung der Sozinianer schuf. In Polen-Litauen entstanden ab 1548 antitrinitarische Gemeinden, die ab 1565 auch über eine eigene Kirchenstruktur verfügten. Die polnischen Antitrinitarier wurden als Polnische Brüder bezeichnet. Eine große Rolle bei der Herausbildung der polnischen Unitarier bildeten unter anderem Matteo Gribaldi und Petrus Gonesius. Auch in Ungarn und Siebenbürgen etablierte sich im 16. Jahrhundert eine antitrinitarische Kirche. Die Unitarische Kirche Siebenbürgen besteht bis heute.

Die polnischen Sozianer wurden jedoch im Verlauf der Gegenreformation vertrieben, und viele wanderten über die Niederlande und England nach Nordamerika aus, was mit zum Aufbau unitarischer Kirchen in Großbritannien (General Assembly of Unitarian and Free Christian Churches) und in Nordamerika (American Unitarian Association) geführt hat. Unter Einfluss des Transzendentalismus und nach dem Zusammenschluss mit der Universalistischen Kirche entstanden die heutigen Unitarier-Universalisten. Eine Rolle mag auch der in der Aufklärung aufkommende Deismus in England gespielt haben, so wie auch eine liberale Reaktion auf das Great Awakening in den USA. Einige der frühen Staatsmänner und Präsidenten der USA waren bekennende Unitarier. Auch Isaac Newton war Unitarier und Antitrinitarier, was zeitweise sogar seine Stellung in Cambridge gefährdete, da es ihm unmöglich war, die für seine Stellung eigentlich vorgeschriebenen Weihen zu nehmen. Er betrieb ausgedehnte theologische Studien, veröffentlichte darüber jedoch nicht und hielt seine Einstellung geheim.

Auch in neuerer Zeit betrachten viele Kritiker die Trinitätslehre als ein altes heidnisches Konzept (s. u.), das nach langem Streit und ohne biblische Grundlage Eingang in die christliche Dogmatik gefunden habe. Dies führte u. a. Alexander Hislop in seinem Buch The Two Babylons (1858) aus. Karl-Heinz Ohlig, Adolph Ernst Knoch u. a. sehen die biblische Basis als nicht vorhanden bzw. als zu schwach an, um aus der Trinitätslehre ein verbindliches Dogma machen zu können. Sie meinen, dass durch das Dogma der Trinität unnötige Unklarheiten und Missverständnisse geschaffen worden seien: Dadurch werde die einfache Botschaft vom allmächtigen Gott und von seinem einziggeborenen Sohn verschleiert.

Nichttrinitarische Glaubensgemeinschaften

Im deutschsprachigen Raum gibt es auch einzelne Gemeinden und Gruppen, die nichttrinitarische Lehren vertreten:

Namhafte Trinitätsgegner

Todesjahr hinter dem Namen

Literatur

Einzelnachweise

  1. Judenchristen–jüdische Christen–»messianische Juden«. Eine Positionsbestimmung des Gemeinsamen Ausschusses »Kirche und Judentum« im Auftrag des Rates der EKD. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Hannover Oktober 2017, (Volltext auf bcj.de) hier S. 13–14.
  2. Richard S. Harvey: Der Einfluss des Christentums auf die Entwicklung des messianisch jüdischen Denkens / The Impact of Christianity on the Development of Messianic Jewish Thought. Stuttgarter Theologische Themen 2007, S. 47–70 (Volltext auf academia.edu)
  3. Baruch Maoz: Grundzüge Judenchristlicher Glaubenslehre in Israel. (= MBS Texte 131), Martin Buucer Seminar, Theologische Akzente, 6. Jahrgang 2009 (Volltext auf bucer.de) hier S. 6 f.
  4. Giuseppe Alberigo (Hrsg.): Geschichte der Konzilien. Von Nicaenum bis zum Vaticanum II. Fourier, Wiesbaden 1998, S. 29–31. 
  5. Gegen die Häresien, Buch V, Kapitel 18. 2
  6. Gegen die Häresien, Buch V, Kapitel 18. 3
  7. Justin, Zweite Apologie
  8. De Trinitate – Über den dreifaltigen Gott, Kapitel 27
  9. Stromateis: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 8.
  10. Häring, Kuschel: Trinität. In: Wörterbuch des Christentums. 1988, S. 1279 .
  11. Helmut Fischer: Haben Christen drei Götter? Entstehung und Verständnis der Lehre von der Trinität. Theologischer Verlag, Zürich 2008, S. 52.
  12. Karl-Heinz Ohlig: Ein Gott in drei Personen? Mainz 1999, S. 28.
  13. Die christliche Dogmatik im Entwurf. Erster Band: Die Lehre vom Worte Gottes.
  14. Ein Gott in drei Personen? Vom Vater Jesu zum „Mysterium“ der Trinität.
  15. zum Beispiel Richard Westfall: Isaac Newton. In: Gary Ferngren (Hrsg.): The history of science and religion in the western tradition. Garland Publishing 2000, oder Westfall Never at rest. 1980, S. 318 (Newton identifizierte sich mit Arius, sowohl emotional als auch intellektuell.)
  16. Alexander Hislop: Von Babylon nach Rom : der Ursprung der römisch-katholischen Religion. 2. Auflage. CLV, Bielefeld 2002, ISBN 3-89397-377-X (Online (Memento vom 22. November 2009 im Internet Archive) englisch: The Two Babylons; or, the Papal Worship proved to be the worship of Nimrod and his wife. Übersetzt von Sabine Paul, Erste vollständige englische Ausgabe: 1858; Englische ISBN 1-881316-36-X). 
  17. Karl-Heinz Ohlig: Ein Gott in drei Personen? Vom Vater Jesu zum ‚Mysterium‘ der Trinität. 1. Auflage. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1999, ISBN 3-7867-2167-X (Auch in der Edition Exodus mit der ISBN 3-905577-33-X). 
  18. Steven Shields: Divergent Paths of the Restoration. Independence 2001, S. 68.
  19. David Lloyd: Buchbesprechung: Scheiterhaufen für einen Gott aus Stroh. In: Vision – Journal For A New World. Archiviert vom Original am 29. Oktober 2013; abgerufen am 5. Dezember 2008 (Originalwebseite nicht mehr verfügbar).  „ es kamen (besonders in den englischsprachigen Gebieten) andere Glaubensgemeinschaften auf – wie zum Beispiel Kongregationalisten, Unabhängige, Unitarier, Methodisten und Quäker. Noch mehr wurde sie von Philosophen wie John Locke (1632–1704) untergraben, der Lehren wie die Erbsünde und die Trinität (Dreieinigkeit) als logisch fragwürdig befand und eine solidere philosophische Grundlage für die Religion suchte.“
  20. Frank Ballmer: Isaac Newton und die unselige Trinität. In: gottlos.blog.de. 9. Mai 2008, archiviert vom Original am 5. Juli 2014; abgerufen am 19. September 2019 (Originalwebseite nicht mehr verfügbar).  „Gegen das Trinitäts-Dogma seiner Kirche hatte sich der junge Newton verstohlen in den Arianismus hineinstudiert. Athanasius verabscheute er. Den Trinitarismus denunzierte er leidenschaftlich als ‚falsche, infernalische Religion‘, seine Bekenner seien ‚Götzenanbeter, Gotteslästerer und geistige Hurer‘, die bösartigste und verkommenste Sorte Menschen auf der Erde.“ Der Verfasser nennt als seine Quelle: Harro Heuser: Der Physiker Gottes – Isaac Newton oder Die Revolution des Denkens. 1. Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-05591-0 (Herder Spektrum). 
  21. Josef Hofmiller: Versuche im Projekt Gutenberg-DE „Für Emerson ist es von Anfang an wichtig, daß er Unitarier war; nur hieraus erklärt sich der gleichmäßige Verlauf seiner äußeren wie seiner inneren Erlebnisse.“
  22. Wolfgang Bühne: Die Propheten kommen. 2. Auflage. Christliche Literatur-Verbreitung e.V., Bielefeld 1995, ISBN 3-89397-240-4 (Online (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) ).  „In den 50er Jahren hat er (Paul Cain) wohl auch in Verbindung mit William Branham gearbeitet, den er heute noch den ‚größten Propheten des 20. Jahrhunderts‘ nennt, obwohl Branham die Trinität Gottes geleugnet und zudem gelehrt hat, daß zwar Abel von Adam, aber Kain am gleichen Tag vom Teufel gezeugt wurde und ‚dadurch die gesamte Menschheit verunreinigt worden ist‘.“ Die Schrift nennt als Quelle für diese Stelle: Richard Fisher: A Lock at Spiritual Pandemonium. Oktober–Dezember. Personal Freedom, Outreach 1994, S. 1. 
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