Ferdinand Lassalle

Ferdinand Lassalle (1860)

Ferdinand Lassalle (geboren am 11. April 1825 in Breslau als Ferdinand Johann Gottlieb Lassal; gestorben am 31. August 1864 in Carouge) war Schriftsteller, sozialistischer Politiker im Deutschen Bund und einer der Wortführer der frühen deutschen Arbeiterbewegung.

Als Hauptinitiator und Präsident der ersten sozialdemokratischen Parteiorganisation im deutschen Sprachraum, des 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), zählt er zu den Gründervätern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die 26 Jahre nach seinem Tod aus der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) hervorging. Die SAP ihrerseits war aus der Fusion des ADAV und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) entstanden.

Lassalles Idee des Sozialismus war genossenschaftlich und preußisch-nationalstaatlich orientiert. Damit geriet er in einen Gegensatz zu der von Karl Marx und Friedrich Engels dominierten Lehre, die revolutionär und internationalistisch ausgerichtet war. Noch zu Lassalles Lebzeiten führte dieser Konflikt zu Zerwürfnissen innerhalb des ADAV und wenige Jahre nach seinem Tod zur Aufteilung der deutschen Sozialdemokratie in zwei Richtungen und Parteien. Die Spaltung in „Lassalleaner“ (ADAV bzw. LADAV) und „Eisenacher“ (SDAP) konnte 1875 beim gemeinsamen Parteikongress in Gotha durch den Zusammenschluss zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) zumindest organisatorisch überwunden werden.

Leben

Jugend und Schuljahre

Ferdinand Lassalle war Sohn des wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers Heyman Lassal (auch „Loslauer“ genannt, 1791–1862). Seine Mutter war Rosalie Lassal, geb. Heizfeld (* 8. Mai 1797; † 13. Februar 1870). Sein Bruder Rochus starb im Alter von drei Jahren an Schwindsucht. Seine Schwester Friederike heiratete den Kaufmann Ferdinand Friedland.

Lassalles kämpferische Grundeinstellung lässt sich an Handlungen des kindlichen und jugendlichen Ferdinands erkennen: Schon als 12-Jähriger forderte er einen Nebenbuhler um die Gunst eines 14-jährigen Mädchens schriftlich zu einem Duell; dasselbe Verhalten führte 27 Jahre später zu seinem Tod. Mit 15 Jahren beschrieb er Deutschland in seinem Tagebuch als einen „großen Kerker mit Menschen, deren Rechte von Tyrannen mit Füßen getreten werden“.

Er besuchte von 1835 bis 1840 das Maria-Magdalenen-Gymnasium in Breslau. Sowohl Lassalles dortige Mitschüler (u. a. August Meitzen) als auch diejenigen der Handelsschule in Leipzig, die er in den Jahren 1840 und 1841 besuchte, beschrieben ihn als einen Menschen mit einem stark ausgeprägten Selbstwertgefühl, der sich zu behaupten und anderen Kontra zu bieten wusste.

Studienjahre

Ferdinand Lassalle verließ die Handelsschule vorzeitig, weil es ihm nicht genügte, sein Leben einzig und allein dem Handel zu widmen. Er wolle sich mit intellektuelleren Dingen beschäftigen und diese studieren. Mit dieser Motivation beschloss er am 26. August 1840, Schriftsteller zu werden und sich für die Freiheit und Rechte der Menschen und der Völker einzusetzen. 1843 legte er in Breslau die Reifeprüfung ab. Er kehrte gegen den Willen des Vaters ins Elternhaus zurück (für den Geist der damaligen Zeit ungewöhnlich) und versteckte sich mit der Deckung von Mutter und Schwester in einem Dachstübchen. Dort studierte er die Texte, die er brauchte, um das Examen zu bestehen, damit er sich an der Universität Breslau bzw. später in Berlin an der Friedrich-Wilhelms-Universität für die Fächer Geschichte, Archäologie, Philosophie und Philologie einschreiben konnte. Er bestand dieses Examen und präsentierte nun seinem Vater das Ergebnis. Der gab daraufhin, wenn auch widerwillig, sein Einverständnis zum Universitätsstudium. Er war in Sorge, sein Sohn könne sich mit diesen Studien nicht ernähren. Mit Beginn seines Studiums trat Lassalle 1843 der Breslauer Burschenschaft der Raczeks bei.

Hinwendung zur Philosophie

Ferdinand Lassalle,
Lithografie von unbekannter Hand im Stadtmuseum Düsseldorf

Ferdinand Lassalle war schon früh von Hegels Ideen fasziniert. Er übernahm die Idee Hegels, der Staat sei eine „Einheit der Individuen in einem sittlichen Ganzen, eine Einheit, welche die Kräfte aller einzelnen millionenfach vermehrt“. Diese Ideen übertrug Lassalle später auf die deutsche Sozialdemokratie.

In seinen Jahren als Student widmete er sich intensiv der Auseinandersetzung mit Texten und der Ausarbeitung eigener Ideen. Für seine Studien vernachlässigte er teilweise alltägliche Dinge wie Essen. Einer seiner Biografen, Arno Schirokauer, fasst diese Zeit zusammen: „Er arbeitet maßlos. Er wirft sich wild in die Lektüre Hegels und kann nur schwer am Abend aufhören. , um sich in einer irren Weise auszuleben. Bündel von Rechnungen stopft er in die Schubfächer seines Schreibtisches, Zeugen einer übertriebenen Eleganz, Zeugen eines Luxus, der mit Medoc, Chateau Larose, Champagner und Korsofahren gefüttert sein will.“

In seiner Hochschulzeit von 1843 bis 1846 studierte Ferdinand Lassalle Texte Hegels, Heines, Goethes, Fichtes und etlicher anderer deutscher Dichter. Besonderes Interesse hatte er an dem antiken vorsokratischen Philosophen Heraklit. Um Anerkennung in intellektuellen Kreisen zu erlangen und vor allem, weil er auf eine Berufung als Universitäts-Professor spekulierte, schrieb Lassalle das philosophische Buch Die Philosophie Herakleitos des Dunkeln von Ephesos.

Unter dem Einfluss der Schriften von Ludwig Börne, Heinrich Heine, der Junghegelianer und des utopischen Sozialismus wandte er sich demokratischen und sozialistischen Ideen zu. Vor diesem theoretischen Hintergrund begrüßte er einen der ersten proletarischen Aufstände im Deutschen Bund, den schlesischen Weberaufstand vom Juni 1844.

Die Geschichtsepochen betrachtete Lassalle als Entwicklungsstufen der Idee der Freiheit, die Klassen als Träger unterschiedlicher Prinzipien, in denen sich die Selbstbestimmung der Idee verkörpert. Den Volksmassen schrieb er keine revolutionäre Kraft zu. Sie waren für ihn nur das Objekt von Führern, die zur Erkenntnis der Idee gelangten. Den Staat fasste er als Verkörperung der allgemeinen menschlichen Sittlichkeit auf.

Engagement für Sophie Gräfin von Hatzfeldt

Gedenkplatte im ehemaligen Haus der Gräfin von Hatzfeldt in der Düsseldorfer Friedrichstraße 53

Mit 20 Jahren lernte er die doppelt so alte Sophie Gräfin von Hatzfeldt in Berlin kennen. Sie suchte nach Wegen, sich von ihrem Ehemann, mit dem sie 1822 zwangsverheiratet worden war, zu trennen, weil dieser, ein ausschweifender Lebemann, sie fortwährend demütigte. Lassalle nahm sich ihrer an und vertrat sie, nach eingehenden Studien im Fachgebiet Rechtswissenschaften, über neun Jahre hinweg (von 1846 bis 1854) vor 36 Gerichten. Lassalle gewann durch den für damalige Zeiten spektakulären Prozess im deutschen Sprachraum Bekanntheit und ein beachtliches Vermögen. Sophie von Hatzfeldt setzte Lassalle aus Dankbarkeit eine Rente aus. In den Jahren 1856 und 1857 wohnte er im Hause der Gräfin in Düsseldorf.

Ob Ferdinand Lassalle eine Beziehung mit der Gräfin einging, ist nicht bekannt. Jedenfalls unterstützte sie ihn in seinen Gedanken und Ideen über Jahre hinweg. Im Februar 1848, noch während der Hatzfeldtschen Prozesse, war Lassalle ein halbes Jahr inhaftiert, weil er bezichtigt wurde, er habe den Diebstahl einer Kassette mit wichtigen Dokumenten begünstigt („Kassettenprozess“). Von seiner Redegewandtheit zutiefst beeindruckt, sprachen die Geschworenen Lassalle im August 1848 frei.

Lassalles Aktivität in der Revolutionszeit

Köpfe der frühen deutschen Arbeiterbewegung: August Bebel, Wilhelm Liebknecht (oben), Karl Marx (Mitte), Carl Wilhelm Tölcke, Ferdinand Lassalle (unten)

Inzwischen hatte in den Staaten des Deutschen Bundes die liberale Märzrevolution begonnen, vor allem mit der Zielsetzung einer deutschen Reichseinigung und demokratischer Reformen. Nach seinem Freispruch engagierte sich Lassalle im Düsseldorfer Volksklub. In dieser Zeit trat er in persönlichen Kontakt zu Marx und Engels und zählte sich selbst zu deren Mitstreitern. Er las das Kommunistische Manifest und verfolgte aufmerksam die von Karl Marx in Köln herausgegebene Neue Rheinische Zeitung, für die er auch einige Artikel verfasste. Seit 1847 schrieb er seinen Nachnamen in Anlehnung an den französischen Revolutionsgeneral La Salle in französischer Fassung.

Als die Nationalversammlung aus Frankfurt am Main ausgewiesen und in Berlin der Belagerungszustand verhängt wurde, rief Lassalle gemeinsam mit revolutionären Kräften aus der Düsseldorfer Bürgerwehr im November 1848 zur Steuerverweigerung und zur Bewaffnung der Bürger auf. So schrieb er im Bauernführer: „ sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf bald los“. Einen Tag nach der Veröffentlichung des Textes wurde Ferdinand Lassalle erneut verhaftet. Zwar sprachen ihn die Geschworenen frei, jedoch ließ man ihn nicht gehen, weil er vor das Korrektionstribunal gestellt wurde, das ihn im Juli 1849 zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilte. Später erwiesen sich die Gefängnisaufenthalte als glücklicher Zufall für Lassalle, denn er konnte so nach der fehl- und niedergeschlagenen Revolution von 1848/1849 nicht in den Kommunistenprozess von 1852 verwickelt werden.

Im Gegensatz zu anderen Sozialisten und Kommunisten war er einer der wenigen führenden Revolutionsbeteiligten, die sich nicht ins Exil absetzten und ohne weitere Verfolgung in Deutschland bleiben konnten. Aus diesem Umstand heraus bezeichnete er sich selbst gelegentlich als den „letzten Mohikaner“. Lassalle befasste sich nach seinem Gefängnisaufenthalt eingehend mit den sozialen Verhältnissen in der Arbeitswelt und stand in regem Kontakt mit führenden Vertretern der Arbeiterklasse. Er wurde in Düsseldorf von der Polizei überwacht und von den staatlichen Behörden als extrem gefährlich eingestuft.

Philosophisch blieb er dem Hegelianismus verbunden. Eine materialistische Weltanschauung eignete er sich nicht an. Er arbeitete zwar mit dem Bund der Kommunisten zusammen, seine Mitgliedschaft lehnte die Kölner Zentralbehörde wegen seiner Verstrickung in den Hatzfeldt-Prozess jedoch ab.

Im Jahr 1851 gründete Lassalle einen illegalen Zirkel revolutionärer Arbeiter in Düsseldorf und propagierte sozialistische Ideen. 1851/1852 unterstützte er die Angeklagten im Kölner Kommunistenprozess.

Da er von der Gräfin v. Hatzfeldt, deren Prozesse er letztlich aufgrund der Aufgabe des klagenden Grafen gewonnen hatte, unterhalten wurde, hatte er die Möglichkeit, sich als Privatier unabhängig von materiellen Zwängen voll zu entfalten.

Berliner Jahre

Gegen Ende des Jahres 1858 gelang es Lassalle, dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Berlin zu erlangen, wo er schon länger in den kulturellen und geistigen Kreisen verkehrte, u. a. im Haus seines Verlegers Franz Duncker oder auch im Salon des Kladderadatsch-Chefredakteurs Ernst Dohm. Er studierte wieder seinen Lieblingsphilosophen Heraklit und schrieb einige seiner wichtigsten Werke, darunter 1858 das Drama Franz von Sickingen. 1859 veröffentlichte er die Schrift Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens, in der er für eine Stärkung der Stellung Preußens in Deutschland plädierte, weshalb er von Marx und Engels aus London, aber auch von anderen Weggefährten heftig kritisiert wurde.

In seiner Berliner Zeit wohnte und arbeitete Ferdinand Lassalle in den Jahren 1859 bis 1863 in der Bellevuestraße 13. Im Jahre 1861 war Karl Marx in diesem Wohnsitz Lassalles Gast für elf Tage. In dieser Zeit hielten sie eingehende Gespräche und nutzten die Gelegenheit, gemeinsame Interessen und Vorhaben persönlich und nicht nur über den langen Weg des Briefkontakts auszutauschen.

Im April 1862 veröffentlichte Ferdinand Lassalle seine detailliert ausgearbeiteten Reden Über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes (Arbeiterprogramm) und Über Verfassungswesen. Das Arbeiterprogramm richtete sich an die wieder auflebende deutsche Arbeiterbewegung. Es war eine Einführung in Lassalles Ideale und Vorstellungen von Sozialismus. Er betonte die Rolle der Arbeiter für den geschichtlichen Fortschritt. Damit fand Lassalle Anklang in der Arbeiterschaft. Vom liberalen Bürgertum wandte Lassalle sich ab. Er war der Meinung, dass Bismarck das Bürgertum vollkommen kontrolliere.

Im Sommer 1862 besuchte er Marx in London und versuchte vergeblich, ihn für eine gemeinsame Arbeiteragitation in Deutschland zu gewinnen. Danach brach der Kontakt zwischen Lassalle und Marx ab.

Im Februar 1863 wurde Lassalle von Otto Dammer, Julius Vahlteich und Friedrich Wilhelm Fritzsche vor das Komitee der Leipziger Arbeiterzentrale geladen. Er solle seine Ideen einbringen und ein revolutionäres Programm für die Arbeiterbewegung formulieren. Lassalles Offenes Antwortschreiben datiert vom 1. März 1863. Die Arbeiter müssten sich, so Lassalle, zu einer eigenen Partei zusammenschließen, ihre Interessen bündeln und Genossenschaften gründen, um ihre „legitimen Interessen befriedigen zu können“. Lassalle schrieb einem Freund, dass die „Wirkung des Schreibens erstaunlich sein wird“. Tatsächlich gab das Offene Antwortschreiben den Anstoß zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) – der ersten Vorgängerorganisation der SPD.

Lassalle nahm das Recht der Redefreiheit wörtlich, er schrieb und redete ohne Zurückhaltung. Dies brachte ihm jedoch auch Gefängnisstrafen ein. Lassalle saß ab dem 20. April 1863 wieder einen Monat im Gefängnis, weil er sich in seiner Verteidigungsrede zur Anklage wegen des Arbeiterprogramms unvorteilhaft über den Sohn des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling ausgelassen hatte. Bei der Anklage wegen des Arbeiterprogramms musste er eine Strafe von weiteren vier Monaten hinnehmen. Lassalle klagte auch den Verfassungsbruch Bismarcks an und hielt dazu zwei eindrucksvolle Reden.

Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins

Am 23. Mai 1863 wurde im Leipziger Pantheon der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) gegründet. Ferdinand Lassalle wurde für fünf Jahre zum Präsidenten gewählt. Seine Hauptforderungen waren:

Er erweckte die Zuversicht, mit Hilfe des bestehenden Staates friedlich in den Sozialismus hineinwachsen zu können. Im ADAV bildete sich um Julius Vahlteich und Wilhelm Liebknecht eine Opposition gegen Lassalle. Besonders wurde Lassalle verübelt, dass er für eine Einigung Deutschlands unter Führung des preußischen Staates eintrat.

Der Hochverraths-Prozeß wider Ferdinand Lassalle

Lassalle trat seit Mai 1863 einige Male in Kontakt mit Bismarck, um ihn zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts zu überreden. Im Gegenzug wollte er Bismarck unterstützen. Er richtete seine Angriffe immer einseitiger gegen das liberale Bürgertum und nicht gegen den preußischen Staat mit seinem Junkertum und erweckte anscheinend die Meinung, die Hohenzollern-Monarchie könne in ein Volkskönigtum verwandelt werden. Bismarck machte ihm konkrete Versprechungen, die er nach dem Krieg gegen Österreich (bereits nach Lassalles Tod) unter der ADAV-Präsidentschaft Johann Baptist von Schweitzers einlöste.

Im März 1864 wurde Lassalle wegen Hochverrat angeklagt, weil er die Verfassung zu stürzen beabsichtigt habe. In seiner Rede vor dem Staatsgerichtshof sagte Lassalle, dass er dies nicht nur beabsichtigt habe, sondern dass es sogar sehr bald so weit sein werde, dass die Verfassung gestürzt wäre – und zwar ohne Blutvergießen. Die Hilfe Bismarcks erwähnte er in seiner Rede nicht. Lassalle beabsichtigte, im September 1864 für die Annexion der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen zu werben, doch dazu kam er nicht mehr.

Seine letzte öffentliche Rede hielt Lassalle am 22. Mai 1864 in der Kleinstadt Ronsdorf (heute ein Ortsteil von Wuppertal), damals eine Hochburg der Arbeiterbewegung. Die vor etwa 2000 Zuhörern (bei einer seinerzeitigen Bevölkerung von gut 8200 Einwohnern) gehaltene sogenannte Ronsdorfer Rede gilt nach Auffassung zahlreicher Politikwissenschaftler (Hauptmeinung) als eine seiner wichtigsten Reden. In Ronsdorf erinnert eine Gedenktafel an diese letzte Rede, und es wurde eine Straße nach Ferdinand Lassalle benannt.

Tod nach Duell

Lassalles Totenmaske

Lassalle verliebte sich bei einem Kuraufenthalt in eine junge Frau namens Helene von Dönniges. Er wollte sie heiraten, aber ihre Eltern waren dagegen. Um ihren Vater, den bayerischen Diplomaten Wilhelm von Dönniges, mit Erfolg wegen Sequestrierung seiner Tochter verklagen zu können, versuchte er am 16. oder 17. August 1864, den bayerischen König Ludwig II. auf seine Seite zu bekommen. Das sollte durch Vermittlung eines Freundes geschehen, des Dirigenten Hans von Bülow, der seinerseits auf Richard Wagner einwirken sollte. Das Ansinnen ging Wagner jedoch zu weit.

Daraufhin entschloss sich Lassalle zur Weiterreise in die Schweiz und zum Duell mit Wilhelm von Dönniges: Als Mitglied der Breslauer Burschenschaft forderte Lassalle Satisfaktion von Helenes Vater, einem Mitglied des Corps Rhenania Bonn. Der 50-jährige Vater beauftragte den von ihm gewünschten Verlobten, den rumänischen Bojaren Janko von Racowitza (Iancu Racoviţă), ein Mitglied des Corps Neoborussia-Berlin, das Duell zu übernehmen.

Das Duell fand am Morgen des 28. August 1864 in der Genfer Vorstadt Carouge statt. Erster Sekundant von Lassalle war Wilhelm Rüstow. Johann Philipp Becker hatte zuvor Lassalles Bitte, als Sekundant zu fungieren abgelehnt und inständig appelliert, vom Duell abzusehen. Lassalle wählte daraufhin den Grafen Bethlen neben Rüstow zu seinem zweiten Sekundanten. Um 7:30 Uhr standen sich die Gegner mit Pistolen gegenüber. Racowitza, der im Gegensatz zu seinem Kontrahenten am Vortag längere Schießübungen absolviert hatte, feuerte als Erster und traf Lassalle in den Unterleib. Der anwesende Arzt Dr. Seiller konnte die Wunden nur notdürftig versorgen. Drei Tage später, am 31. August 1864, starb Ferdinand Lassalle im Alter von 39 Jahren in Carouge.

Wenige Wochen vor seinem Tod hatte Lassalle bereits Bilanz gezogen:

„Ich habe die Inventur meines Lebens gemacht. Es war groß, brav, wacker, tapfer und glänzend genug. Eine künftige Zeit wird mir gerecht zu werden wissen.“

Nachleben

Nachrufe

Freunde, Bekannte und Befürworter widmeten seinem Tode zu Ehren viele gedenkende Worte. Jacob Audorf schrieb für Lassalles Totenfeier die Deutsche Arbeiter-Marseillaise, das wohl beliebteste Arbeiterlied des 19. Jahrhunderts, um.

Als Friedrich Engels von Lassalles Tod erfuhr, schrieb er in einem Brief an Marx, der Verstorbene sei „sicher einer der bedeutendsten Kerle in Deutschland“ und der einzige, vor dem die Fabrikanten und „Fortschrittsschweinehunde(…)“ Angst gehabt hätten. Der Lassalle nicht immer gewogene Karl Marx urteilte 1868 in einem Brief an Johann Baptist von Schweitzer: „Nach fünfzehnjährigem Schlummer rief Lassalle – und dies bleibt sein unsterbliches Verdienst – die Arbeiterbewegung wieder wach in Deutschland.“

Ein Grab als Politikum

Lassalles Leichnam wurde einbalsamiert und sollte mit Zwischenstation in Köln und anderen Städten nach Berlin transportiert werden, damit seine Anhänger von ihm Abschied nehmen könnten. Zwischen der Familie, seinem Nachfolger Bernhard Becker und der Gräfin von Hatzfeld gab es jedoch Uneinigkeit über diesen Plan, was am Ende dazu führte, dass der Sarg in Köln von der preußischen Polizei beschlagnahmt wurde. Lassalle wurde am 15. September 1864 auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Breslau bestattet, der genaue Termin wurde geheim gehalten, weil die Polizei Demonstrationen befürchtete. Ein Gedenkstein trug folgende Inschrift: „Hier ruhet, was sterblich ist, von Ferdinand Lassalle, dem Denker und Kämpfer“.

Der Berliner Bildhauer Melchior zur Straßen modellierte 1867 ein Porträtrelief Lassalles, das für dessen Grabmal bestimmt war. Ob es jedoch jemals das Grab schmückte, ist ungewiss, da auf jüdischen Friedhöfen Abbilder von Personen nicht üblich sind.

Grabstein in Breslau, 2003

Im Jahre 1945 lief die Front direkt durch den jüdischen Friedhof Breslaus, das Grab Lassalles wurde stark beschädigt. Die Polnische Sozialistische Partei PPS errichtete ihm daher 1947 anlässlich ihres letzten Kongresses vor der Vereinigung zur PVAP einen neuen Gedenkstein. In den Folgejahren war das Grab Lassalles, nun auf polnischem Staatsgebiet liegend, jedoch ein eher unbequemes Politikum für die Volksrepublik. Nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung verfiel der Friedhof, es gab schließlich Pläne für eine Einebnung und Umgestaltung in einen Park.

Die Bundesrepublik Deutschland bemühte sich daher 1974 auf Betreiben der SPD-Regierung um eine Umbettung Lassalles in ihr Staatsgebiet, was jedoch wiederum für die DDR-Regierung inakzeptabel war. Zudem protestierten nun auch internationale jüdische Organisationen aus religiösen Gründen gegen eine Umbettung – ein Grab gilt im Judentum als unantastbar. Die Auseinandersetzungen führten dazu, dass am 24. Mai 1975 das Lassalle-Grab ins Denkmalregister von Breslau aufgenommen wurde, die Umbettung war gestoppt.

Zum 120. Todestag Lassalles im Jahr 1984 wurde das Grab von polnischen Fachleuten saniert, am Todestag lagen Kränze und Blumengebinde sowohl von SPD als auch SED am Grabe nebeneinander – die Vertreter beider Parteien legten diese jedoch zeitversetzt nieder, um eine Zusammenkunft zu vermeiden. Seit 1997 steht das Grab unter Aufsicht des Breslauer Stadtmuseums.

Nachlass

Die Briefe von Karl Marx und Friedrich Engels an Lassalle, die sich bis 1945 im Preußischen Geheimen Staatsarchiv befanden, sind als Beutekunst nach Moskau gelangt. Sie wurden bzw. werden in der MEGA veröffentlicht. Einige Briefwechsel vermachte er seiner Lebensgefährtin Sophie von Hatzfeldt, sie wurden später auf Schloss Sommerberg in ihrem Nachlass entdeckt, der heute auf Schloss Schönstein zu finden ist. Weitere Briefe befinden sich im Internationalen Institut für Sozialgeschichte. Ein Teil seiner Bibliothek befindet sich im Institut für Weltwirtschaft, Kiel.

Denkmale und Gedenkstätten

An dem Haus in Berlin, in dem Lassalle von 1859 bis 1863 gelebt hatte, brachte die Stadtverwaltung Berlins 1928 eine Gedenktafel an, die aber bereits 1933 wieder von den Nationalsozialisten gewaltsam entfernt wurde. Das Haus selbst musste 1938 den Planungen zur „Welthauptstadt Germania“ weichen. Am 11. April 2005 wurde im Gehweg am ehemaligen Standort des Wohnhauses eine Gedenktafel enthüllt, in der die alte, ursprüngliche Tafel zitiert und Lassalle selbst geehrt wird.

Sonstige Rezeption

Lassalles politische Vorstellungen

In der Schrift Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens (1859) sprach sich Lassalle erstmals sehr deutlich für eine führende Rolle Preußens in Deutschland aus. Nicht nur Marx und Engels reagierten mit Protest. Lassalles staatstragende und preußenfreundliche Haltung brachte ihm auch später Kritik von anderen sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen ein, was die Einheit der deutschen sozialdemokratischen Bewegung bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches und auch darüber hinaus behinderte.

In der Einschätzung der Rolle des Staates für die Emanzipation des vierten Standes lag der wichtigste Unterschied zu Marx. Während letzterer den Staat als Unterdrückungsinstrument der herrschenden Klasse verstand, so sah Lassalle in ihm die positive Organisationsform der Gesellschaft. Im Gegensatz zu Marx’ und Engels’ revolutionärem Sozialismus vertrat Lassalle einen staatsfreundlichen sozialdemokratischen Reformismus. Staatsvorstellungen des klassischen Liberalismus seiner Zeit, der den Staat darauf beschränken wollte, Sicherheit und Ordnung herzustellen, kritisierte Lassalle 1862 in einer Rede in Berlin als „Nachtwächterstaat“.

Lassalles ehernes Lohngesetz besagte, dass der Arbeitslohn in einer kapitalistischen Unternehmung immer „auf die in einem Volke gewohnheitsmäßige zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderliche Lebensnotdurft“ beschränkt bleiben muss. Nur wenn die Arbeiter selbst Produktionsgenossenschaften gründeten, die Scheidung zwischen Arbeitslohn und Unternehmergewinn damit aufgehoben und so der volle Ertrag ihrer Arbeit ihnen selbst zufließen würde, wäre dieses Dilemma beseitigt. Dazu müsse der Staat die Arbeiterschaft fördern und entwickeln und sie unter anderem mit Krediten unterstützen.

Werke

Gesamtausgaben

„Die Gesamtausgaben sind weder vollständig noch zuverlässig“.

Einzelausgaben

Briefausgaben

Sekundärliteratur

In der Reihenfolge des Erscheinens:

Commons: Ferdinand Lassalle – Sammlung von Bildern Wikiquote: Ferdinand Lassalle – Zitate Wikisource: Ferdinand Lassalle – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. a b Arno Schirokauer: Lassalle. Die Macht der Illusion, die Illusion der Macht. Paul List Verlag, Leipzig 1928.
  2. Stadtmuseum Landeshauptstadt Düsseldorf: Lithografie Ferdinand Lassalle
  3. Zu dessen Einordnung und Rezeption vgl. Hartmut Henicke: Arbeiterbewegung und Reformationsrezeption vom Vormärz bis zum Ersten Weltkrieg – Erkenntnisse und Grenzen. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte. Heft II/2017, S. 86–106.
  4. Vgl. z. B. „Lassalle gilt als Brückenbauer“ auf der Seite des SPD-Ortsvereins Ronsdorf (Abruf am 16. August 2008)
  5. Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner. Sein Leben. Sein Werk. Sein Jahrhundert. Piper, München/Zürich 1980, S. 532–533.
  6. Friedrich Engels: Marx Engels Werke. Band 30. Dietz Verlag Berlin, 1964, "Engels an Marx in London, 4. September 1864, S. 429. 
  7. Marx an Johann Baptist von Schweitzer, 13. Oktober 1868. In: MEW, Bd. 32, Berlin 1965, S. 568 f.
  8. Zum Folgenden vgl. Daniela Fuchs: „Zu Breslau ein Friedhof. Ein Toter im Grab. Dort schlummert der Eine der Schwerter und gab.“ – Ferdinand Lassalle zum 150. Todestag. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2014.
  9. Illustrirte Zeitung, Nr. 1279 vom 4. Januar 1868, S. 15.
  10. a b Daniela Fuchs: „Zu Breslau ein Friedhof. Ein Toter im Grab. Dort schlummert der Eine der Schwerter und gab.“ – Ferdinand Lassalle zum 150. Todestag. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft II/2014, S. 207.
  11. Klaus-Dieter Lehmann, Ingo Kolasa: Die Trophäenkommissionen der Roten Armee. Eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Büchern aus deutschen Bibliotheken. V. Klostermann, Frankfurt am Main 1996.
  12. Ferdinand Lassalle: Nachgelassene Briefe und Schriften: Briefwechsel mit Gräfin Sophie von Hatzfeldt, Biblio Verlag, 1967, S. 15.
  13. Heinrich Cunow: Ferdinand Lassalle und Heinrich Heine. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie, 39.1920–1921, 2. Band (1921), Heft 10, S. 221–229.
  14. Thorsten Fromberg: Umfangreicher Bücherfund aus dem Nachlaß Lassalles in der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften. In: Gutenberg-Jahrbuch 2005. S. 179–183.
  15. Ferdinand Lassalle. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  16. Wohnhausanlage Lassalle-Hof. Wiener Wohnen, abgerufen am 14. August 2014. 
  17. Ferdinand Lassalle Hof (Memento vom 28. Januar 2015 im Internet Archive). Open House Wien; abgerufen am 14. August 2014.
  18. Ferdinand-Lassalle-Brücke. Leipzig-Lexikon, abgerufen am 17. Februar 2022. 
  19. 18. April 2024: Ferdinand Lassalle: Einfluss auf die Sozialdemokratie in Österreich und Deutschland. In: SPÖ Bildung. 18. April 2024, abgerufen am 18. April 2024 (deutsch). 
  20. Heinrich Potthoff, Susanne Miller: Kleine Geschichte der SPD 1848–2002. Dietz Verlag, Bonn 2002.
  21. Friedrich Jenaczek, S. 523.
  22. Briefwechsel Lasalle
  23. Zweite Auflage als 3. Band der von Rudolf Hilferding und Max Adler herausgegebenen Reihe „Marx Studien“, Wien 1910 (Reprint Glashütten im Taunus 1971).
Normdaten (Person): GND: 118569910 | LCCN: n50037732 | NDL: 00446938 | VIAF: 12310979 |