Hermann Bengtson

Grab Hermann Bengtsons auf dem Friedhof Sendling in München (Foto 2021)

Hermann Bengtson (* 2. Juli 1909 in Ratzeburg; † 2. November 1989 in München) war ein deutscher Althistoriker, Universitätsprofessor und Rektor der Universität Würzburg.

Leben

Hermann Bengtson studierte von 1930 bis 1934 Geschichte, Klassische Philologie, Ägyptologie und Assyriologie in Hamburg, Pisa und München, wo er 1935 bei Walter Otto zum Dr. phil. promoviert wurde. Zum 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 2.750.176) und war seit 1937 Mitglied der SA. Seine althistorischen Forschungen dieser Zeit blieben inhaltlich keineswegs unberührt von der NS-Ideologie; in München leitete er insbesondere eine Arbeitsgemeinschaft über „das Eindringen des Judentums in die antike Welt“. 1939 erhielt er in München den Grad eines Dr. habil., die Lehrbefähigung (Venia legendi) aber erst 1940 in Heidelberg beim überzeugten Nationalsozialisten Fritz Schachermeyr, da die Habilitation in München aufgrund fachlicher Schwächen auf Schwierigkeiten gestoßen war.

Der zeitweilige Dienst im Militär (1939–41 und 1944/45) während des Zweiten Weltkriegs tat Bengtsons wissenschaftlicher Laufbahn keinen Abbruch. Er arbeitete während des Krieges gegen die Sowjetunion weiter an seiner Habilitationsschrift. Bengtson sandte 1941 von der Ostfront kriegsbegeisterte Briefe an den Rektor der Münchner Universität, den überzeugten Nationalsozialisten Walther Wüst, woraufhin er als Dozent nach München berufen wurde. Seit 1941 war er in München als Privatdozent tätig und erhielt 1942 eine außerordentliche Professur für Alte Geschichte in Jena. Seit 1944 vertrat ihn dort Viktor Burr.

Nach dem Krieg wurde Bengtson aufgrund seiner Haltung zum Nationalsozialismus die Einreise in die sowjetische Besatzungszone verweigert, er siedelte daraufhin nach München über. Er wurde wegen Mitgliedschaft in NSDAP und SA am 15. März 1946 offiziell aus dem Jenaer Hochschuldienst entlassen. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er als „Mitläufer“ eingestuft. 1949 erhielt er die Lehrbefähigung zurück und wurde in München zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1951 wurde er Assistent an der neu gegründeten Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, 1952 folgte er einem Ruf als ordentlicher Professor für Alte Geschichte an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg, deren Rektor er 1959/1960 wurde. Drei Jahre später wechselte Bengtson nach Tübingen und 1966 zurück nach München, wo er bis zu seiner Emeritierung 1977 als Lehrstuhlinhaber tätig war. Bengtson hielt auch nach seiner Emeritierung weiter Vorlesungen an der Universität München ab.

Leistungen

Bengtson beschäftigte sich, seinem Lehrer Walter Otto folgend, zunächst vornehmlich mit der griechischen Geschichte, insbesondere dem Hellenismus, aber auch mit der Rechtsgeschichte und der Papyrologie. Später verfasste er auch Darstellungen und Einzeluntersuchungen zu Themen der römischen Geschichte. Seine Einführung in die Alte Geschichte wurde zum Standardwerk und erfuhr zwischen der Erstveröffentlichung 1949 und 1979 zahlreiche Auflagen.

Er war ab 1953 Herausgeber des Handbuchs der Altertumswissenschaft, wobei er die Bände zur Griechischen Geschichte und zur Römischen Geschichte selbst verfasste. Seit 1955 war er zudem Mitherausgeber der Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte und von 1952 für zwanzig Jahre Mitherausgeber der renommierten Fachzeitschrift Historia. Bengtson war seit 1962 Mitglied in der Königlichen Wissenschaftlichen Gesellschaft in Lund, 1965 Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Literatur und Schönen Künste von Belgien, 1968 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. 1970 wurde er ordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts, 1973 Ehrenmitglied der Society for the Promotion of Hellenic Studies in London. 1971 erhielt Bengtson für seine Verdienste um die Wissenschaft den Bayerischen Verdienstorden.

Bereits zu Lebzeiten waren Bengtsons Arbeiten allerdings nicht selten auch auf scharfen Widerspruch aus dem Fach gestoßen; so warf etwa Werner Eck Bengtsons Darstellung der flavischen Geschichte vor, dass „hier nicht wissenschaftlicher Fortschritt, vielmehr erheblicher Rückschritt erzielt worden“ sei. In der heutigen Forschung gelten die meisten Arbeiten Bengtsons als überholt und methodisch vielfach problematisch, insbesondere was die Behandlung der Quellen betrifft.

Schriften (Auswahl)

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Bundesarchiv, R 9361-IX, KARTEI/2380856.
  2. a b Stefan Rebenich: Nationalsozialismus und Alte Geschichte. Kontinuität und Diskontinuität in Forschung und Lehre. In: Isolde Stark (Hrsg.): Elisabeth Charlotte Welskopf und die Alte Geschichte in der DDR. Beiträge der Konferenz vom 21. bis 23. November 2002 in Halle/Saale. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08457-6, S. 42–64, hier S. 57, mit Anm. 82 (online).
  3. Stefan Rebenich: Herrmann Bengtson, 1909–1989. In: Katharina Weigand (Hrsg.): Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 150 Jahre Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität. 2010, S. 287. Vgl. Stefan Rebenich (Hrsg.): Hermann Bengtson an Walther Wüst. In: Andreas Bernhard, Ulrich Raulff (Hrsg.): Briefe aus dem 20. Jahrhundert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-41646-4, S. 126–131 (online).
  4. Detlef Lotze: Die Alte Geschichte in Jena von 1945–1989. In: Isolde Stark (Hrsg.): Elisabeth Charlotte Welskopf und die Alte Geschichte in der DDR. Beiträge der Konferenz vom 21. bis 23. November 2002 in Halle/Saale. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08457-6, S. 108.
  5. Claudia Horst: Bengtson, Hermann. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. 2012, S. 71 f.
  6. Werner Eck: Rezension zu Hermann Bengtson: Die Flavier. In: Gnomon 53, 1981, S. 343 ff.
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