William Thurston

William Thurston 1991 in Oberwolfach

William Paul Thurston (* 30. Oktober 1946 in Washington, D.C.; † 21. August 2012 in Rochester, New York) – allgemein als Bill Thurston bekannt  – war ein US-amerikanischer Mathematiker.

Von ihm stammt die Idee der Geometrisierung zur Klassifizierung geschlossener dreidimensionaler Mannigfaltigkeiten. Dafür erhielt er 1982 die Fields-Medaille. Sein Theoriengebäude verknüpfte vorher als getrennt angesehene mathematische Gebiete mit der Theorie der dreidimensionalen Mannigfaltigkeiten.

Leben

Thurston studierte am New College in Sarasota in Florida (Bachelorabschluss 1967) und dann bei Morris Hirsch und Stephen Smale an der Universität Berkeley, wo er 1972 promoviert wurde mit einer Arbeit über Blätterungen spezieller 3-Mannigfaltigkeiten (Foliations of 3-manifolds which are circle bundles). 1972/73 war er am Institute for Advanced Study in Princeton. 1973 wurde er Assistant Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und 1974 Professor für Mathematik an der Princeton University. Seit 1991 war er Professor an der UC Berkeley, seit 1996 an der UC Davis und ab 2003 an der Cornell-Universität. Daneben war er 1992–97 Direktor des MSRI.

In seiner Laudatio zur Verleihung der Fields-Medaille an Thurston 1982 hebt C. T. C. Wall hervor, dass Thurston mit „fantastischer geometrischer Intuition und Weitblick“ das Gebiet der Topologie zwei- und dreidimensionaler Mannigfaltigkeiten revolutionierte. Thurston klärte insbesondere die zentrale Rolle hyperbolischer Mannigfaltigkeiten (das sind Mannigfaltigkeiten mit einer Metrik konstanter negativer Krümmung) auch im dreidimensionalen Fall (siehe Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten). Er klassifizierte in seiner Geometrisierungs-Vermutung (die er für den Spezialfall von Haken-Mannigfaltigkeiten bewies) dreidimensionale Mannigfaltigkeiten in acht Typen. Zuvor waren zwar die Klassifikationen in den Dimensionen zwei und größer als fünf gut verstanden, nicht aber in den Dimensionen drei und vier. Der Beweis der Geometrisierungs-Vermutung von Thurston (mit der Poincaré-Vermutung als Teil) gelang Grigori Perelman 2003. Die bisher von der Topologie weitgehend isolierte Theorie diskreter Gruppen von Isometrien des hyperbolischen Raumes (Kleinsche Gruppen) wurde dadurch zu einem zentralen Thema der dreidimensionalen Topologie.

Zuvor revolutionierte er Anfang der 1970er Jahre auch die Theorie der Blätterungen.

Thurston formulierte 1982 eine Reihe von 24 Vermutungen über 3-Mannigfaltigkeiten, die inzwischen alle bis auf eine gelöst sind. Neben der Geometrisierungsvermutung war es lange ein offenes Problem, ob hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten virtuell gefasert sind; dies wurde 2013 durch Ian Agol und Daniel Wise bewiesen. Offen ist noch (2016): man zeige, dass es zwei hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten gibt, deren Volumen nicht in rationalem Verhältnis zueinander steht.

Er verfolgte einen intuitiven, anfangs nicht unumstrittenen Zugang zu mathematischer Erkenntnis mit dem Ziel des Verständnisses mathematischer Strukturen mit dem Schwerpunkt auf Ideen statt Details formaler Beweise (was er in einem Aufsatz im Bulletin der AMS 1994 unterstrich). Seinem Schüler Benson Farb zufolge änderte Thurston in grundlegender Weise den Zugang moderner Topologen und Geometer zu den mathematischen Objekten, demgegenüber die davor gebräuchliche Methode eher wie reines Manipulieren von Symbolen wirkte. Er entwickelte auch einen Kurs Geometry and the Imagination, um fortgeschrittene geometrische Konzepte auch mathematisch nicht versierten Personen wie Künstlern und Designern zugänglich zu machen. Dabei arbeitete er auch mit dem japanischen Modedesigner Dai Fujiwara zusammen bezüglich der besten Darstellung dreidimensionaler „Mannigfaltigkeiten“ in zwei Dimensionen (Kleidern).

Thurston war zweimal verheiratet, in erster Ehe mit Rachel Findley hatte er drei Kinder (darunter die Mathematiker Dylan und Nathaniel Thurston), in zweiter Ehe mit Julian Thurston hatte er zwei Kinder.

Auszeichnungen (Auswahl)

Thurston starb im August 2012 im Alter von 65 Jahren an einem Melanom, das ein Jahr zuvor diagnostiziert worden war.

Zu seinen Doktoranden gehören Danny Calegari, Richard Canary, David Gabai, Steven Kerckhoff, Yair Minsky, Oded Schramm, Jeffrey Weeks, Richard Kenyon, Silvio Levy, Richard Evan Schwartz, William Goldman (Zweitreferent), Benson Farb, William Floyd, Igor Rivin.

Schriften

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: William Thurston – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Terence Tao: What’s new: Bill Thurston. Nachruf. 22. August 2012, abgerufen am 30. August 2019 (englisch). 
  2. David Gabai, Steve Kerckhoff: William P. Thurston, 1946–2012. In: Notices of the American Mathematical Society. Band 62, Nr. 11, Dezember 2015, S. 1318–1332 (ams.org ). 
  3. Bulletin AMS. Band 6, 1982, S. 357–379.
  4. Stefan Friedl: Thurston's Vision and the Virtual Fibering Theorem for 3-Manifolds. In: Jahresbericht DMV. Heft 4, 2014. (pdf)
  5. William Goldman: His intuitive style was pretty unconventional at the time, and a lot of the established mathematicians didn't appreciate him. That changed pretty quickly. Wobei sich das auf die Zeit Anfang der 1970er Jahre bezog, in der eine formalisierte Darstellung im Bourbaki-Stil verbreitet war. Zitiert nach Evelyn Lamb: The mathematical legacy of William Thurston. Scientific American Blog 2003.
  6. Benson Farb, zitiert nach Evelyn Lamb, Nachruf auf Thurston in Scientific American Blog 2003.
  7. math.cornell.edu
Fields-Medaille Träger der Fields-Medaille

1936: Lars Valerian Ahlfors, Jesse Douglas | 1950: Laurent Schwartz, Atle Selberg | 1954: Kodaira Kunihiko, Jean-Pierre Serre | 1958: Klaus Friedrich Roth, René Thom | 1962: Lars Hörmander, John Milnor | 1966: Michael Atiyah, Paul Cohen, Alexander Grothendieck, Stephen Smale | 1970: Alan Baker, Heisuke Hironaka, Sergei Nowikow, John G. Thompson | 1974: Enrico Bombieri, David Mumford | 1978: Pierre Deligne, Charles Fefferman, Grigori Margulis, Daniel Quillen | 1982: Alain Connes, William Thurston, Shing-Tung Yau | 1986: Simon Donaldson, Gerd Faltings, Michael Freedman | 1990: Vladimir Drinfeld, Vaughan F. R. Jones, Shigefumi Mori, Edward Witten | 1994: Jean Bourgain, Pierre-Louis Lions, Jean-Christophe Yoccoz, Efim Zelmanov | 1998: Richard Borcherds, Timothy Gowers, Maxim Konzewitsch, Curtis McMullen | 2002: Laurent Lafforgue, Wladimir Wojewodski | 2006: Andrei Okunkow, Grigori Perelman, Terence Tao, Wendelin Werner | 2010: Elon Lindenstrauss, Ngô Bảo Châu, Stanislaw Smirnow, Cédric Villani | 2014: Artur Ávila, Manjul Bhargava, Martin Hairer, Maryam Mirzakhani | 2018: Caucher Birkar, Alessio Figalli, Peter Scholze, Akshay Venkatesh | 2022: Hugo Duminil-Copin, June Huh, James Maynard, Maryna Viazovska

Normdaten (Person): GND: 172417635 | LCCN: n85156270 | NDL: 00719625 | VIAF: 98260131 |