Gerhard Ertl

Gerhard Ertl (2007) Ertl bei einem Vortrag (2008)

Gerhard Ludwig Ertl (* 10. Oktober 1936 in Stuttgart) ist ein deutscher Physiker und Oberflächenchemiker, der die Entwicklung des Gebietes der Oberflächenchemie maßgeblich beeinflusst hat. Von 1986 bis 2004 war er Direktor der Abteilung Physikalische Chemie des Fritz-Haber-Institutes in Berlin. Im Jahr 2007 wurde ihm der Nobelpreis für Chemie zuerkannt.

Leben

Gerhard Ertl wurde in Bad Cannstatt, einem Stadtteil von Stuttgart, geboren. Kurz vor dem Ende seiner Grundschulzeit zog seine Familie in das etwa fünf Kilometer entfernte Fellbach. Von dort aus besuchte er bis zum Abitur das Johannes-Kepler-Gymnasium in Bad Cannstatt.

1955 begann Gerhard Ertl sein Physikstudium an der Universität Stuttgart. Bereits während seines Studiums sammelte er in zwei kurzen Aufenthalten Erfahrungen an anderen Universitäten, 1957/58 an der Sorbonne in Paris und 1958/59 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 1961 bekam er sein Physik-Diplom; seine Arbeit mit dem Titel „Eine Temperatursprungmethode zur Untersuchung schneller Dissoziationsreaktionen mit Hilfe eines Mikrowellenimpulses“ wurde von Heinz Gerischer betreut, der damals am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart arbeitete. 1962 ging Gerhard Ertl mit Heinz Gerischer nach München, der dort eine Professur an der Technischen Universität angenommen hatte, und arbeitete bei diesem bis 1965 auf dem Gebiet der physikalischen Chemie an seiner Dissertation „Über die Kinetik der katalytischen Oxidation von Wasserstoff an Germanium-Einkristallen“.

Gerhard Ertl blieb an der TU München und habilitierte sich mit der „Untersuchung von Oberflächenstrukturen und -reaktionen mittels Beugung langsamer Elektronen“ innerhalb von nur zwei Jahren. Als Privatdozent arbeitete er bis 1968 in München. Im selben Jahr folgte er einem Ruf an die Universität Hannover und übernahm einen der beiden Lehrstühle am Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie. Im Jahr 1973 kehrte er nach München zurück und wurde als Nachfolger von Georg-Maria Schwab Professor am Institut für Physikalische Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität.

In den folgenden Jahren übernahm er mehrfach Gastprofessuren in den USA: 1976/77 am Caltech in Pasadena, 1979 an der University of Wisconsin in Milwaukee und 1981/82 an der University of California in Berkeley. 1986 wurde er Nachfolger seines ehemaligen Lehrers Heinz Gerischer als Direktor der Abteilung Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin. Außerdem wurde er zum Honorarprofessor der Freien Universität sowie der Technischen Universität ernannt. 1996 wurde er Honorarprofessor der Humboldt-Universität. Ertl ist Mitglied des Hochschulrates der Technischen Universität Darmstadt.

Gerhard Ertl ist Mitherausgeber von fünf Fachzeitschriften auf dem Gebiet der physikalischen und speziell der Oberflächenchemie und Mitglied des Editorial Boards (Herausgebergremium) von neun internationalen Zeitschriften, darunter „Angewandte Chemie“ und „Science“. Er engagiert sich in der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ) und der Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh. Von 1995 bis 2001 war er Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Leistungen

Für sein Habilitationsprojekt war Gerhard Ertl eine der ersten in Deutschland kommerziell erhältlichen LEED-Apparaturen zur Untersuchung von Oberflächen mittels der Beugung langsamer Elektronen bewilligt worden. So konnte er das Gebiet der Oberflächenchemie in Deutschland begründen. Seine erste bahnbrechende Veröffentlichung erschien bereits 1966 in der Zeitschrift „Surface Science“, deren Mitherausgeber er von 1977 bis 1986 war. Sie behandelte Oberflächenstrukturen und -reaktionen von Kupfer-Einkristallen.

Gerhard Ertl beschäftigte sich weiterhin mit dem Studium elementarer Schritte chemischer Oberflächenreaktionen und der Struktur von Adsorbaten. Anfangs handelte es sich um Reaktionen kleiner Moleküle mit den Oberflächen von Metallen und Legierungen. Sehr intensiv beschäftigte er sich mit der Oxidation von Kohlenstoffmonoxid (CO) zu Kohlenstoffdioxid (CO2) an Einkristalloberflächen, bei welcher Oszillationen in der Geschwindigkeit der CO2-Produktion auftreten. Ziel seiner Untersuchungen war stets das Verständnis von Mechanismen in der heterogenen Katalyse. Einen Höhepunkt dieser Bemühungen bildete eine Reihe von Veröffentlichungen zum Mechanismus der Ammoniaksynthese in den 1970er-Jahren. Das Verständnis dieses Mechanismus war seit Entdeckung des technisch und wirtschaftlich bedeutsamen Prozesses 1905 durch Fritz Haber ein begehrtes Forschungsobjekt gewesen.

Gerhard Ertl blieb stets auf der Höhe der Zeit. Bereits kurz nach der Beschreibung des Rastertunnelmikroskopes durch Gerd Binnig und Heinrich Rohrer 1982 beschaffte er diese Technik für seine Gruppe und ermöglichte so die Sichtbarmachung von Diffusionsprozessen. Die Verwendung der Femtosekundenlasertechnologie erlaubte die Erforschung ultraschneller Oberflächenprozesse.

Neben der Grundlagenforschung an Modellkatalysatoren hatte Gerhard Ertl stets ein Interesse an realen Katalysatoren. Zusammen mit Helmut Knözinger und Jens Weitkamp hat er eine fünfbändige Enzyklopädie zum Thema „Heterogene Katalyse“ (Handbook of Heterogeneous Catalysis) herausgegeben, die zu einem Standardwerk auf diesem Gebiet wurde.

Ehrungen und Auszeichnungen

Werke

Aufsätze (Auswahl)

Monografien

Literatur

Weblinks

Commons: Gerhard Ertl – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Mitgliedseintrag von Prof. Dr. Gerhard Ertl (mit Bild und CV) bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 5. Juli 2016.
  2. Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 2007 an Gerhard Ertl (englisch)
  3. Integrierte Gesamtschule Gerhard Ertl
  4. LMU benennt Gebäude nach Chemie-Nobelpreisträger Gerhard Ertl. Pressemeldung der LMU München
  5. TU Berlin ehrt Chemie-Nobelpreisträger Gerhard Ertl. idw-online.de, abgerufen am 1. Dezember 2009. 
  6. Programm Wintersemester 2008/2009. Physikalischer Verein, Frankfurt am Main, abgerufen am 11. September 2011. 
  7. „Gerhard Ertl Center“ gegründet. Presseinformation. In: TU intern. Technische Universität Berlin, 12. Oktober 2012, abgerufen am 7. Dezember 2012. 
  8. Trägerinnen und Träger der Ehrenmitgliedschaft. Deutsche Physikalische Gesellschaft, 2012, abgerufen am 1. April 2014. 
Träger des Wolf-Preises in Chemie

1978: Carl Djerassi | 1979: Hermann F. Mark | 1980: Henry Eyring | 1981: Joseph Chatt | 1982: John C. Polanyi, George C. Pimentel | 1983/4: Herbert S. Gutowsky, Harden M. McConnell, John S. Waugh | 1984/5: Rudolph Arthur Marcus | 1986: Elias James Corey, Albert Eschenmoser | 1987: David C. Phillips, David M. Blow | 1988: Joshua Jortner, Raphael David Levine | 1989: Duilio Arigoni, Alan Battersby | 1990: nicht vergeben | 1991: Richard R. Ernst, Alexander Pines | 1992: John Anthony Pople | 1993: Ahmed Zewail | 1994: Richard A. Lerner, Peter G. Schultz | 1995: Gilbert Stork, Samuel Danishefsky | 1996: nicht vergeben | 1998: Gerhard Ertl, Gábor A. Somorjai | 1999: Raymond Lemieux | 2000: Frank Albert Cotton | 2001: Henri Kagan, Ryōji Noyori, Barry Sharpless | 2002–03: nicht vergeben | 2004: Harry B. Gray | 2005: Richard N. Zare | 2006/7: Ada Yonath, George Feher | 2008: William Moerner, Allen J. Bard | 2009–10: nicht vergeben | 2011: Stuart A. Rice, Ching W. Tang, Krzysztof Matyjaszewski | 2012: A. Paul Alivisatos, Charles M. Lieber | 2013: Robert Langer | 2014: Chi-Huey Wong | 2015: nicht vergeben | 2016: Kyriacos Costa Nicolaou, Stuart Schreiber | 2017: Robert G. Bergman | 2018: Omar Yaghi, Makoto Fujita | 2019: Stephen L. Buchwald, John F. Hartwig | 2020: nicht vergeben | 2021: Leslie Leiserowitz, Meir Lahav | 2022: Bonnie Lynn Bassler, Carolyn Bertozzi, Benjamin F. Cravatt | 2023: Chuan He, Hiroaki Suga, Jeffery W. Kelly

Träger des Nobelpreises für Chemie

1901: van ’t Hoff | 1902: E. Fischer | 1903: Arrhenius | 1904: Ramsay | 1905: von Baeyer | 1906: Moissan | 1907: Buchner | 1908: Rutherford | 1909: Ostwald | 1910: Wallach | 1911: Curie | 1912: Grignard, Sabatier | 1913: Werner | 1914: Richards | 1915: Willstätter | 1916–1917: nicht verliehen | 1918: Haber | 1919: nicht verliehen | 1920: Nernst | 1921: Soddy | 1922: Aston | 1923: Pregl | 1924: nicht verliehen | 1925: Zsigmondy | 1926: Svedberg | 1927: Wieland | 1928: Windaus | 1929: Harden, von Euler-Chelpin | 1930: H. Fischer | 1931: Bosch, Bergius | 1932: Langmuir | 1933: nicht verliehen | 1934: Urey | 1935: F. Joliot-Curie, I. Joliot-Curie | 1936: Debye | 1937: Haworth, Karrer | 1938: Kuhn | 1939: Butenandt | 1940–1942: nicht verliehen | 1943: de Hevesy | 1944: Hahn | 1945: Virtanen | 1946: Sumner, Northrop, Stanley | 1947: Robinson | 1948: Tiselius | 1949: Giauque | 1950: Diels, Alder | 1951: McMillan, Seaborg | 1952: Martin, Synge | 1953: Staudinger | 1954: Pauling | 1955: Vigneaud | 1956: Hinshelwood, Semjonow | 1957: Todd | 1958: Sanger | 1959: Heyrovský | 1960: Libby | 1961: Calvin | 1962: Perutz, Kendrew | 1963: Ziegler, Natta | 1964: Hodgkin | 1965: Woodward | 1966: Mulliken | 1967: Eigen, Norrish, Porter | 1968: Onsager | 1969: Barton, Hassel | 1970: Leloir | 1971: Herzberg | 1972: Anfinsen, Moore, Stein | 1973: E. O. Fischer, Wilkinson | 1974: Flory | 1975: Cornforth, Prelog | 1976: Lipscomb | 1977: Prigogine | 1978: Mitchell | 1979: Brown, Wittig | 1980: Berg, Gilbert, Sanger | 1981: Fukui, Hoffmann | 1982: Klug | 1983: Taube | 1984: Merrifield | 1985: Hauptman, Karle | 1986: Herschbach, Lee, Polanyi | 1987: Cram, Lehn, Pedersen | 1988: Deisenhofer, Huber, Michel | 1989: Altman, Cech | 1990: Corey | 1991: Ernst | 1992: Marcus | 1993: Mullis, Smith | 1994: Olah | 1995: Crutzen, Molina, Rowland | 1996: Curl, Kroto, Smalley | 1997: Boyer, Walker, Skou | 1998: Kohn, Pople | 1999: Zewail | 2000: Heeger, MacDiarmid, Shirakawa | 2001: Knowles, Noyori, Sharpless | 2002: Fenn, Tanaka, Wüthrich | 2003: Agre, MacKinnon | 2004: Ciechanover, Hershko, Rose | 2005: Chauvin, Grubbs, Schrock | 2006: Kornberg | 2007: Ertl | 2008: Shimomura, Chalfie, Tsien | 2009: Ramakrishnan, Steitz, Yonath | 2010: Heck, Negishi, Suzuki | 2011: Shechtman | 2012: Lefkowitz, Kobilka | 2013: Karplus, Levitt, Warshel | 2014: Betzig, Hell, Moerner | 2015: Lindahl, Modrich, Sancar | 2016: Sauvage, Stoddart, Feringa | 2017: Dubochet, Frank, Henderson | 2018: Arnold, Smith, Winter | 2019: Goodenough, Whittingham, Yoshino | 2020: Charpentier, Doudna | 2021: List, MacMillan | 2022: Bertozzi, Meldal, Sharpless | 2023: Bawendi, Brus, Jekimow

Normdaten (Person): GND: 106105507 | LCCN: n85333590 | VIAF: 59144029 |