Heiner Goebbels

Heiner Goebbels (2010)

Heiner Goebbels (* 17. August 1952 in Neustadt an der Weinstraße) ist ein deutscher Musiker, Komponist, Hörspielautor, Regisseur und Professor für Angewandte Theaterwissenschaft.

Leben

Goebbels studierte Soziologie und Musik in Freiburg im Breisgau und Frankfurt am Main, war Mitgründer des Sogenannten Linksradikalen Blasorchesters und spielte 1975 bis 1988 als Musiker im Duo Goebbels/Harth und von 1982 bis 1992 in der experimentellen Rockgruppe Cassiber. Er veröffentlichte ca. 20 CDs.

Nach zahlreichen Kompositionen für Theater und Film begann er Mitte der 1980er Jahre Hörstücke, meist nach Texten von Heiner Müller, zu komponieren. Seit Ende der 1980er Jahre folgten Kompositionen für Ensemble und szenische Konzerte, z. B. Der Mann im Fahrstuhl und Die Befreiung des Prometheus. Anfang der 1990er Jahre komponierte er Orchester- und Ensemblestücke für die Junge Deutsche Philharmonie, das Ensemble Modern, später für die Berliner Philharmoniker (2003) die London Sinfonietta und das Orchestra of the Age of Enlightenment und das Hilliard Ensemble. Er war Composer in Residence beim Lucerne Festival und bei den Bochumer Symphonikern.

Seit Mitte der 1990er Jahre liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit auf Musiktheater-Stücken, z. B. mit dem Ensemble Modern, die in einem Team von Dramaturgen, Bühnenbildnern, Lichtgestaltern, Kostümbildnern und Sounddesignern entwickelt werden und die weltweit zu vielen Theater- und Musik-Festivals eingeladen werden. In ihnen stehen Text, Bild, Musik, Licht, Bewegung und Szene in einem schwebenden, gleichwertigen Verhältnis.

Unter seinen Arbeiten finden sich auch Sound- und Videoinstallationen, z. B. „Timeios“ für das Centre Pompidou in Paris, „Genko An“ (Berlin 2008, Darmstadt 2012, Lyon 2014, Moskau 2017), „Stifters Dinge – The Unguided Tour“ (London 2012, Duisburg 2013), „Die Provinz des Menschen“ (Dresden 2016) und zahlreiche Kollaborationen mit Videokünstlern und Choreographen. Mit Konzerten, Installationen und szenischen Arbeiten war Heiner Goebbels 1982, 1987 und 1997 auf der documenta Kassel vertreten.

Heiner Goebbels war von 1999 bis 2018 Professor am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, das er von 2003 bis 2011 geleitet hat. Goebbels ist Mitglied der Akademie der Künste, der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste sowie der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz sowie der Bayerischen Akademie der schönen Künste, München. Von 2006 bis 2018 war Goebbels Präsident der Hessischen Theaterakademie, einem Verbund von mehreren Hochschulen und Theatern des Rhein-Main-Gebiets.

Heiner Goebbels wurde 2010 zum Intendanten und künstlerischen Leiter der Ruhrtriennale – International Festival of the Arts 2012–2014 berufen. Im Verlaufe dieses Dreijahresprogramms kuratierte, produzierte und präsentierte er neue Werke der Künstler Robert Wilson, Lemi Ponifasio, Douglas Gordon, Michal Rovner, Gregor Schneider, Ryoji Ikeda, Boris Charmatz, Mathilde Monnier, Anne Teresa de Keersmaeker, Tim Etchells, Rimini Protokoll und vielen anderen. Er inszenierte Europeras 1&2 von John Cage (2012), Delusion of the Fury von Harry Partch (2013) und De Materie von Louis Andriessen (2014).

Er lebt in Frankfurt am Main und hat mit seiner Lebensgefährtin Barbara Rendtorff einen Sohn (* 1980) und eine Tochter (* 1986).

Es besteht keine Verwandtschaft zum NS-Politiker Joseph Goebbels.

Auszeichnungen

Mehrfach wurde Heiner Goebbels für seine Hörspiele mit nationalen und internationalen Hörspielpreisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Prix Italia 1986, 1992 und 1996, dem Karl-Sczuka-Preis 1984, 1990 und 1992, dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 1985, dem Hörspielpreis der Akademie der Künste 1989, der World Silvermedal of the New York Festivals 2002 und dem Radio-Ostankino-Prize Moscow 1996.

Im Jahr 2003 wurde ihm der Deutsche Kritikerpreis in der Fachgruppe Musik verliehen. Die Stadt Frankfurt am Main ehrte ihn 2002 mit der Goetheplakette, das Land Hessen 1993 mit dem Hessischen Kulturpreis. 2008 wurde er mit dem Binding-Kulturpreis ausgezeichnet. Im Jahr 2010 erhielt er den Kunstpreis Rheinland-Pfalz.

Neben zwei Grammy-Nominierungen für Surrogate Cities und Eislermaterial wurden ihm viele internationale Theaterpreise zuerkannt, darunter 2001 der Europäische Theaterpreis New Theatrical Realities und 2006 der Preis des Internationalen Theaterinstituts.

2011 wurde er mit dem Preis Exzellenz in der Lehre des Landes Hessen und der Hertie-Stiftung ausgezeichnet. Für sein Lebenswerk verlieh ihm das Birmingham Conservatoire 2012 die Ehrendoktorwürde.

Als vierter Preisträger erhielt Goebbels 2012 den Internationalen Ibsen-Preis, einen der weltweit bedeutendsten Theaterpreise.

2018 wurde er vom Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen als erster Amtsinhaber auf die Georg-Büchner-Professur berufen.

Für sein Lebenswerk verleiht ihm die National Academy for Theatre and Film Arts, Sofia (Bulgaria) 2018 die Ehrendoktorwürde.

Musiktheater Werke und Kompositionen

Hörspiele

Filmografie

Ausstellungen

Literatur

Dokumentarfilme

Commons: Heiner Goebbels – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ulrich Stock: Radikalmusik. Ein Porträt des Musikers Heiner Goebbels, Die Zeit, 27. Juni 1986
  2. Heiner Goebbels. In: Munzinger-Archiv. 2019, abgerufen am 9. Oktober 2020. 
  3. https://www.heinergoebbels.com/en/archive/texts/interviews/read/112 www.heinergoebbels.com: Musik, die Erfahrungen aufbewahrt: „Und er hat tatsächlich einen Onkel, der Joseph Goebbels hieß. Der ist auch nicht verwandt.“
  4. The International Ibsen Award: Heiner Goebbels, abgerufen am 23. April 2018
  5. Georg-Büchner-Seniorprofessur für Prof. Heiner Goebbels, Justus-Liebig-Universität Gießen, 27. Februar 2018
  6. Seite des Museums zur Ausstellung (Memento des Originals vom 8. Mai 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mac-lyon.com, abgerufen am 7. Mai 2014.
Preisträger der Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main

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Normdaten (Person): GND: 122659589 | LCCN: nr91038279 | VIAF: 39568624 |