Fuat Sezgin

Mehmet Fuat Sezgin (* 24. Oktober 1924 in Bitlis; † 30. Juni 2018 in Istanbul) war ein türkischer Orientalist, Islamwissenschaftler und Wissenschaftshistoriker. Der Autor und Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Werke, Professor emeritus für Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Frankfurt am Main sowie Gründer und erster Leiter des Instituts für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften, gilt als Pionier der Erforschung der islamischen Wissenschaftskultur in arabischer Sprache. Mit seiner Geschichte des arabischen Schrifttums hat er ein international angesehenes Standardwerk geschaffen.

Sezgins Handexemplar von Carl Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Supplement 1 von 1937

Leben und Werk

Fuat Sezgin wuchs in der anatolischen Kleinstadt Bitlis auf. Er studierte von 1943 bis 1951 an der Universität Istanbul Islamwissenschaft und Arabistik, unter anderem bei dem dort lehrenden deutschen Islamwissenschaftler Hellmut Ritter. Sezgins türkischsprachige Doktorarbeit Buhari'nin kaynakları über die Quellen des al-Buchari (810–870), des Bearbeiters einer angesehenen Hadith-Sammlung rechtsverbindlicher Traditionen des Propheten Mohammed, wies nach, dass al-Buchari auf eine Kette schriftlicher Quellen zurückgreift, die bis in den frühen Islam, also bis in das 7. Jahrhundert, zurückreichen.

Als das Militär 1960 in der Türkei putschte, verlor er seine Lehrerlaubnis. 1961 kam Sezgin deshalb nach Deutschland, wo er zunächst als Gastdozent an der Frankfurter Universität lehrte. Hier wurde die Geschichte der Naturwissenschaften im arabisch-islamischen Kulturkreis zum Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit und zu dem Fach, für das er sich 1965 habilitierte. Weiterhin beschäftigte er sich mit der Geschichte des arabisch-islamischen Schrifttums bis circa 1039 n. Chr. 1967 erschien der erste Band seiner Geschichte des arabischen Schrifttums, den er Willy Hartner widmete. Weitere Bände erschienen in schneller Folge. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Sezgin am Abschluss von Band 18. Die Reihe wurde zu einem wissenschaftsgeschichtlichen Standardwerk und hat das Zitationskürzel GAS.

Bei einer Durchsicht von Manuskripten in der Bibliothek des Imam-Reza-Schreins in der iranischen Pilgerstadt Maschhad entdeckte Sezgin 1968 vier der sieben verloren geglaubten Bücher der Arithmetica des Diophantos von Alexandria in arabischer Übersetzung. Die Bibliothekare hatten die Werke dem Autor Costa ben Luca latinus (Qustā b. Lūqā al-Ba'labakkī) aus Bagdad zugeschrieben.

1978 wurde Sezgin der erste Träger des Preises für Islamwissenschaft der König-Faisal-Stiftung von Saudi-Arabien. Diese und weitere Auszeichnungen machte er zum Grundstock einer Stiftung, mittels der er 1982 das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften an der Universität Frankfurt gründete. Ziel des Instituts ist es, die Stellung des arabisch-islamischen Kulturkreises in der Wissenschaftsgeschichte bekannt zu machen.

Globus mit der Weltkarte al-Ma'mūns mit umschiffbarem Afrika, 2008, vor dem Istanbuler Museum für die Geschichte der Wissenschaft und Technologie im Islam

In Istanbul richtete Sezgin das Istanbuler Museum für die Geschichte der Wissenschaft und Technologie im Islam (türkisch: İstanbul İslam Bilim ve Teknoloji Tarihi Müzesi) ein. Es befindet sich im ehemaligen Stallgebäude des Sultans im Gülhane-Park unterhalb des Topkapı-Palastes und wurde 2008 eröffnet. Seine Sammlung besteht aus etwa 800 Nachbauten von Instrumenten und Geräten, die von muslimischen Wissenschaftlern des 9. bis 16. Jahrhunderts entwickelt wurden.

2001 erhielt Sezgin das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 2009 sollte er für seine Verdienste um den Dialog der Religionen gemeinsam mit Salomon Korn mit dem Hessischen Kulturpreis ausgezeichnet werden. Sezgin lehnte die Annahme ab, da Korn „Israels Krieg in Gaza rechtfertige“ und er daher nicht wünsche, mit Korn gemeinsam ausgezeichnet zu werden.

Am 12. Mai 2017 hinderte der Zoll den Forscher daran, Bücher aus dem Institut an der Universität in das Museum in Istanbul zu bringen. Hessische Behörden gingen davon aus, die Bücher seien mit öffentlichen Geldern beschafft worden, und es handle sich um national wertvolles Kulturgut. Ein Teil seines Manuskriptes zum 18. Band seiner „Geschichte des Arabischen Schrifttums“, das der Philosophie gewidmet sein sollte, wurde ihm in seiner Anwesenheit, wie alles andere auf seinem Schreibtisch, abgenommen und nie zurückgegeben. Sezgin durfte fortan das Institut nicht mehr betreten. Ermittlungen wegen Untreue und Verstoß gegen das Kulturgutschutzgesetz wurden später eingestellt, jedoch war noch 2023 ungeklärt, wem die Bücher gehören.

Fuat Sezgin war mit der Orientalistin Ursula Sezgin verheiratet, mit der er in Kronberg im Taunus lebte. Die gemeinsame Tochter Hilal Sezgin ist Autorin und Journalistin.

Fuat Sezgin starb am 30. Juni 2018 im Alter von 93 Jahren in Istanbul. Er wurde neben dem Museum im Gülhane-Park bestattet. Zu den Trauergästen gehörte Staatspräsident Erdoğan.

Auszeichnungen und Ehrungen

Mitgliedschaften

Veröffentlichungen

Vorsatzblatt des 1. Bandes von Sezgins Geschichte des Arabischen Schrifttums, 1967

als Hrsg.: Publications of the Institute for the History of Arabic-Islamic Science. Band 1 ff.

Weitere Arbeiten (Auswahl) Vorsatzblatt der türkischen Ausgabe von Sezgins Wissenschaft und Technik im Islam, 2007

Sekundärliteratur

Weblinks

Einzelbelege

  1. Traueranzeige Mehmet Fuat Sezgin. In: FAZ. 4. Juli 2018.
  2. Islamwissenschaftler Fuat Sezgin gestorben. In: deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 2. Juli 2018.
  3. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.). 21. Dezember 2014, S. 4.
  4. F.A.S. 21. Dezember 2014, S. 4.
  5. Wolfdietrich Fischer (Hrsg.): Literaturwissenschaft (= Helmut Gätje (Hrsg.): Grundriß der arabischen Philologie. Band 2. Reichert, Wiesbaden 1987, ISBN 3-88226-145-5, S. 481.)
  6. Fuat Sezgin: Qusţā b. Lūqā. In: Geschichte des arabischen Schrifttums. Band 5, 1974, S. 285–286; Diophant, ebenda S. 176–179, zitiert nach Costa ben Luca latinus. In: Alcuin, Bibliothek der Scholastik. (uni-regensburg.de ). – Diophantus, Qusta Ibn-Luqa al-Balabakki, Jacques Sesiano: Books IV (four) to VII of Diophantus Arithmetica in the Arabic translation attributed to Qusta Ibn-Luqa. Springer, New York/Heidelberg/Berlin 1982; Sources in the history of mathematics and physical sciences, 3. Arithmetica; zugl.: Providence, Brown University, Dissertation Jacques Sesiano, 1975 (Reprint). Rezension: Jan P. Hogendijk, in: Historia Mathematica. Band 12, 1985, S. 82–85 (jphogendijk.nl ).
  7. Costa ben Luca latinus. In: Alcuin, Bibliothek der Scholastik. (uni-regensburg.de ). Zu den Umständen der Falschzuschreibung: Norbert Schappacher: Diophantus of Alexandria. A Text and its History. Undatiertes Manuskript, S. 17 (PDF; 213 kB ).
  8. Siehe Publikationen des Instituts in der Deutschen Nationalbibliothek unter GND 2083102-X.
  9. Museumsporträt mit virtuellem Rundgang. In: uni-frankfurt.de, abgerufen am 30. Juni 2018.
  10. Andrea Dernbach: Streit um Kulturpreis: Deutschlands neue Eliten. In: Zeit Online. 6. September 2009, abgerufen am 25. Mai 2009. 
  11. Rainer Hermann: Arabiens Beitrag. Zum Tod von Fuat Sezgin. Nachruf. In: faz.net, 3. Juli 2018, abgerufen am 25. August 2018.
  12. Marie Lisa Kehler: Wollte ein Islamforscher Bücher unterschlagen? In: faz.net, 12. Mai 2017, abgerufen am 30. Juni 2018 (online).
    Volker Siefert: Wissenschaftsministerium hindert Islamforscher am Arbeiten. In: hessenschau.de, 10. Januar 2018, abgerufen am 30. Juni 2018 (online). – Hilal Sezgin: Zur Entstehung der Bibliothek von Ursula und Fuat Sezgin. Videobotschaft für die 8. Stiftungsratssitzung der Fuat-Sezgin-Stiftung zur Erforschung der Geschichte der islamischen Wissenschaften. 16. Februar 2018 (online auf YouTube, abgerufen am 30. Juni 2018.).
  13. Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften der Universität (Memento vom 7. Dezember 2011 im Internet Archive). In: uni-frankfurt.de, abgerufen am 30. Juni 2018.
  14. Cumhurbaşkanı Erdoğan: 2019 yılını Prof. Dr. Fuat Sezgin İslam Bilim Tarihi yılı ilan edeceğiz. In: NTV. 1. Juli 2018 (ntv.com.tr. ).
  15. King Faisal International Prize Winners 1979 Fuat Sezgin Germany (Memento vom 6. April 2012 im Internet Archive). In: kff.com, abgerufen am 30. Juni 2018 (PDF; 1,3 MB).
  16. Prof. Dr. Fuat Sezgin Adına Yapılan Anıtı Kendisi Açtı. In: Son Dakika. 24. September 2012, abgerufen am 21. Juli 2018 (türkisch). 
  17. 2019 Prof. Dr. Fuat Sezgin Yılı, offizielles Video, abgerufen am 6. Februar 2019.
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