Karl Escherich

Grab von Karl Leopold Escherich auf dem Westfriedhof in München

Karl Leopold Escherich (* 18. September 1871 in Schwandorf; † 22. November 1951 in Kreuth, Oberbayern) war ein deutscher Forstwissenschaftler und Entomologe.

Leben

Escherich war der Sohn des Tonwarenfabrikanten Hermann Nikolaus Escherich und der Katharina von Stengel und der jüngere Bruder des späteren Forstmanns und Politikers Georg Escherich.

Er studierte seit 1892 Medizin in München und Würzburg und promovierte 1893 über die männlichen Genitalsysteme von Käfern zum Dr. med. Nach einem anschließenden Studium der Zoologie promovierte Escherich 1896 außerdem auch zum Dr. phil. Während einer zweijährigen Assistenzze»«it in Karlsruhe spezialisierte er sich unter Otto Nüsslin (1850–1915) auf das Gebiet der Forstzoologie. Nachdem er sich 1901 in Straßburg habilitiert hatte, erhielt er 1907 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Forstzoologie in Tharandt, der seit dem Tode von Hinrich Nitsche (1845–1902) verwaist war. 1914 wechselte er auf den Lehrstuhl für angewandte Zoologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und trat dort die Nachfolge von August Pauly (1850–1914) an. Im Jahr 1917 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Von Oktober 1933 bis Oktober 1935 war er in der Nachfolge Leo von Zumbuschs Rektor der Universität München. 1936 wurde Escherich emeritiert.

Nach seiner Reise in die USA im Jahre 1911 fasste er den Plan, die angewandte Entomologie in Deutschland nach amerikanischem Vorbild neu zu gestalten. 1913 wirkte er unter anderem als Initiator und Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie.

Karl Escherich gehörte zu den wenigen Forstakademikern, die sich an der frühen Hitlerbewegung der Inflationszeit beteiligten. Bereits 1921 trat er der NSDAP bei und nahm 1923 auch am Hitlerputsch teil. 1924 beteiligte er sich zwar noch im Auto am Wahlkampf für den „Völkischen Block“, blieb der neuen NSDAP dann aber fern. Seine Rektoratsreden (25. November 1933 und 30. Januar 1935) stützen nicht diesen Befund – er begrüßt begeistert den Nationalsozialismus als Biologe. Z. B. „...Das deutsche Volk ist gegenwärtig in einem solchen Heilungsprozeß begriffen. Die Grundideen des Nationalsozialismus, nach welcher die Heilung durchgeführt werden soll, ist durch und durch biologisch. Der Nationalsozialismus ist gewissermaßen der biologische Wille des deutschen Volkes, nach einem unhaltbaren Lebenszustand, der nur von einer schweren Erschöpfung aller Lebenskräfte seinen Ausgang nehmen konnte, in den lebensfähigen zu finden...“ Seine erste Rektoratsrede hatte er damit begonnen, dass ihm die Aufgabe gestellt sei, "die Universität in den neuen Geist des nationalsozialistischen Staates überzuführen" (S. 5). Der Entomologe Escherich schildert im Hauptteil seiner Rede das Termitenvolk und kommt zu dem Schluss, der Termitenstaat sei als ein "Totalstaat reinster Prägung" zu sehen, der "das oberste Gesetz des Nationalsozialistischen Staates 'Gemeinnutz geht vor Eigennutz'" in letzter Konsequenz verwirklicht habe (S. 14). Um dem Individuellen Raum zu geben, anders als im "Termitenwahn" des Bolschewismus, um zu einem einigermaßen sicher funktionierenden Totalstaat" zu gelangen, sei "nicht Unterdrückung des Individuums, sondern Erhöhung des Individuums durch Erziehung zur staatlichen Persönlichkeit" zu fordern, "oder wie man heute zu sagen pflegt", Erziehung "zum politischen Menschen, der sich freiwillig in die Gemeinschaft einordnet" (S. 19). Nach einem Bekenntnis zur "politischen Hochschule" legt er "ein politisches Glaubensbekenntnis" ab: "Ich glaube nicht an den Untergang unserer weißen Rasse in ihrer Gesamtheit. Wenn ich in die Augen unserer Jugend sehe, aus denen die Entschlossenheit leuchtet zum Kampf und Sieg, so kann ich nicht an ein untergehendes Volk denken...daß das, was wir jetzt erleben, nicht der Anfang vom Ende, sondern der Beginn eines neuen Aufstiegs ist..." (S. 23). Den Studenten gibt er auf den Weg, eine führende Rolle im "Anpassungskampf" zwischen den jugendlichen Völkern und den "alten, greisenhaften Völkern" zu spielen (S. 24/25).

Für seine Forschungsleistungen erhielt Karl Escherich 1943 die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Unter dem Titel Leben und Forschen. Kampf um eine Wissenschaft legte er 1944 seine Autobiografie vor. Seine Autobiografie ist frei von Anbiederung an den NS-Staat und frei von nationalsozialistischem Jargon. Sie ist eine Schilderung seiner akademischen Karriere – ganz der Insektenforscher. Im Rückblick auf seine beiden Rektoratsreden zeigt er sich als ein konsequenter Verfechter einer biologischen Sichtweise von Natur und Gesellschaft und der Unterscheidung von „minderwertigem“ und „hochwertigem“ Leben verpflichtet; beide Sichtweisen waren für die Nationalsozialisten, allerdings in radikaler Weise, typisch. Hatte er noch in seiner ersten Rektoratsrede von einer „Sendung“ der Studenten gesprochen, zu der „Sie sich auf der Hochschule die geistigen Waffen verschaffen“, so erfährt man in der Autobiografie nichts Derartiges. Man kann das Verschweigen seiner (anfänglichen?) Begeisterung und sein Unterlassen, sich des damals üblichen nationalsozialistischen Vokabulars zu bedienen, als Zeichen einer Distanzierung im Jahr 1944 ansehen.

Zur Erinnerung an ihren Initiator verleiht die Deutsche Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie die Escherich-Medaille für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Entomologie.

Schriften (Auswahl)

Hauptwerk Escherichs war jedoch die Neubearbeitung und wesentliche Erweiterung des von Johann Friedrich Judeich und Heinrich Nietsche begründeten Lehr- und Handbuchs Die Forstinsekten Mitteleuropas (5 Bände, Berlin 1914–1942). Daneben war Escherich Begründer und Herausgeber der Zeitschrift für angewandte Entomologie (Berlin 1914 ff; später unter dem Titel Journal of applied entomology fortgeführt).

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Karl Leopold Escherich, Eintrag in ders.: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Aktualisierte Ausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 140
  2. Heinrich Rubner: Deutsche Forstgeschichte 1933 – 1945. Forstwirtschaft, Jagd und Umwelt im NS-Staat. 2., erweiterte Auflage. Scripta-Mercaturae-Verlag, St. Katharinen 1997, ISBN 3-89590-032-X, S. 57. Diese Behauptung ist durch nichts belegt. Die Rektoratsreden Escherichs werden in diesem Buch nicht erwähnt. Es wäre ein Leichtes für den Autor Rubner gewesen, einen Beleg für seine Behauptung anzuführen, da ihm der Teilnachlass von Escherich in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München zur Verfügung stand (S. 344). Rubner ist über seinen Vater, Konrad Rubner, der staatswirtschaftlichen Fakultät der LMU verbunden, an der auch Escherich einen Lehrstuhl bekleidete: Sein Vater gehörte zu der gleichen Zeit als Privatdozent in den 1920er Jahren dem Lehrkörper an (https://epub.ub.uni-muenchen.de/799/, S. 8); zudem hatte er in den 1950er Jahren einen Lehrauftrag am Institut für Forstwissenschaften inne, an dem Escherichs Nachfolger und Schüler Wilhelm Zwölfer seit 1937 lehrte (https://epub.ub.uni-muenchen.de/854/, S. 26). Dieser hatte eine Erklärung im Entnazifizierungsverfahren Escherichs verfasst, in der er dessen Rektoratsrede von 1933 als eine „Kritik zwischen den Zeilen“ am Nationalsozialismus bezeichnete, die „von den meisten Hörern“ verstanden worden sei (SpkA_K_378_Escherich), so dass Escherich „als nicht vom Gesetz betroffen“ galt. Diese väterliche Beziehung scheint dem Sohn eine kritische Würdigung des Spruchkammerurteils von 1948 unmöglich gemacht zu haben, indem er sich dieses zu eigen machte .
  3. Karl Escherich, Biologisches Gleichgewicht. Eine zweite Münchner Rektoratsrede über die Erziehung zum politischen Menschen. München 1935, S. 21. http://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsundunive rsitatsreden/pdf/250.pdf. Günther Just zitiert anerkennend aus Escherichs erster Rektoratsrede (Just G Probleme der Persönlichkeit, Schriften zur Erbpflege und Rassenhygiene, hrsg. G. Just, Metzner Berlin, S. 49).
  4. Karl Escherich, Termitenwahn. Eine Münchner Rektoratsrede zur Erziehung des politischen Menschen. München 1934. http://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsunduniversitatsreden/pdf/114.pdf
  5. Von Hitler verliehen, nur an sog. politisch Zuverlässige.
  6. Karl Escherich Leben und Forschen: Kampf um eine Wissenschaft, Paul Parey Berlin 1944, hier bes. 208–218.
  7. Karl Escherich Leben und Forschen, S. 217/218.
  8. Karl Escherich, Termitenwahn. Eine Münchner Rektoratsrede zur Erziehung des politischen Menschen. München 1934, S. 25. http://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsunduniversitatsreden/pdf/114.pdf
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